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Wasserlack-Recycling mit Ultrafiltrationsmembranen


Das Einleiten von Abwässern in die Kanalisation oder ihre anderweitige Entsorgung unterliegt heutzutage strengen gesetzlichen Bestimmungen; dementsprechend aufwendig und kostenintensiv ist eine fachgerechte Abwasserbehandlung. Membrantechnologien ermöglichen als nicht-thermische Verfahren, die bei relativ geringem Druck und ohne weiteren Chemikalienzusatz arbeiten, einerseits niedrige Energiekosten, andererseits hohe und sehr genau einstellbare Trennleistungen.

Die Ultrafiltration ist ein bereits weitgehend etabliertes Verfahren zur Trennung suspendierter oder gelöster Stoffe nach Molekulargewicht und Größe. Eine Druckdifferenz treibt die zu filtrierende Lösung durch die poröse Membran, die wie ein feines Sieb das Lösemittel durchläßt, größere Moleküle oder Partikel dagegen zurückhält; nach lateinisch permeare für "hindurchgehen" und retenere für "zurückhalten" bezeichnet man die entsprechenden Fraktionen als Permeat und Retentat.

Geeignete Membranen sind asymmetrisch aus einer porösen Stützstruktur und einer sehr feinporigen Filterschicht aufgebaut. Letztere ist sehr dünn, um hohe Flußraten zu ermöglichen. Weil sie dem Filtriergut zugewandt ist und damit als erste angeströmt wird, verhindern die sehr engen Poren dieser Schicht, daß die der Stützstruktur verstopfen. Die Membran kann deshalb nur durch Ablagerungen auf ihrer Oberfläche blockiert werden; man drückt daher die zu filtrierende Lösung nicht senkrecht gegen die Trennschicht, sondern läßt sie daran entlangströmen, weil Teilchen unter diesen Umständen schlechter anhaften können.

Wasserlack-Recycling

Ein Beispiel für den wirtschaftlichen Einsatz des Verfahrens zur Abwasserreinigung und Wertstoffrückgewinnung ist das Recycling von Wasserlacken. Auf die Oberflächen von Automobilen, Maschinen, Möbeln und Haushaltsgeräten wird heutzutage die Grundierung im Elektrotauchbad aufgetragen; dabei transportiert eine Gleichspannung die Bindemittel und Pigmente zu dem als Gegenelektrode geschalteten Lackiergut, wo sie sich entladen und abscheiden. Danach spült man die Werkstücke mit Wasser ab; nicht haftender Lack läuft verdünnt ins Bad zurück.

Durch Ultrafiltration läßt sich dort überschüssiges Wasser abziehen und so die Lackkonzentration konstant halten (wobei der im Verhältnis geringe Lackaustrag zu ersetzen ist). Der Porendurchmesser der Membran wird dabei so gewählt, daß sie für Wasser, aber nicht für Lackteilchen durchlässig ist. Das entfernte Wasser läßt sich dann erneut zum Abspülen verwenden. Im Idealfall entsteht keinerlei Abwasser, und der Lack wird nur sparsam verbraucht (Bild 1).

Meist sprüht man anschließend in Kabinen mittels automatischer oder robotergeführter Spritzpistolen weitere Lacke auf; eine Automobilkarosserie beispielsweise erhält – inklusive dem Füller zum Ausgleich von Unebenheiten – noch sieben Schichten. Der aus Gründen des Umweltschutzes wünschenswerte Übergang von Lacken auf Lösemittelbasis zu Wasserlacken war zunächst aufgrund des sogenannten Oversprays problematisch: Je nach Werkstück und eingesetzter Düsensteuerung treffen nur 50 bis 90 Prozent des versprühten Materials auf die Oberfläche und bleiben dort haften; der daneben gehende Rest schlug sich bislang an den Wänden nieder und konnte, nachdem entweder das organische Lösemittel verdampft war oder die fein verteilten Partikel koagulierten, als fester Rest mechanisch eingesammelt werden. Bei Wasserlacken fällt der Overspray aber als wäßrige Suspension an, die nur unter hohem Aufwand an Energie und Zeit einzudampfen wäre. Ihr Niederschlag auf den Wänden könnte zudem teilweise eintrocknen. Als Lösung bot sich an, den fehlgehenden Lack mit einem Wasservorhang aufzufangen, wegzuspülen und das anfallende lackhaltige Kabinenspülwasser anschließend mittels geeigneter Membrantrennverfahren zu reinigen (Spektrum der Wissenschaft, September 1992, Seite 23).

Durch Ultrafiltration gelingt es auch hier, die wäßrige Suspension aufzukonzentrieren und einen Großteil des Wassers abzutrennen, so daß es wiederverwendet werden kann und insgesamt nur wenig Abwasser anfällt. Häufig lassen sich auch der Lack oder zumindest Lackkomponenten zurückgewinnen. (Nicht alle Spritzlacke eignen sich allerdings zum Recycling, zumal beim Auftreffen auf das Werkstück chemische Reaktionen ablaufen, die den Lack verändern; einige kann man aufkonzentrieren und in Gemischen als Grundierung einsetzen, andere lassen sich nur in Teilkomponenten zurückgewinnen oder müssen sogar als Feststoff entsorgt werden).

Bei der Ultrafiltration von Kabinenspülwasser kommt es auch darauf an, ob sich die Membran wasseranziehend (hydrophil) oder wasserabweisend (hydrophob) verhält. Die hydrophoben Pigment- und Harzteilchen neigen dazu, sich auf wasserabstoßenden Oberflächen anzulagern. Weil sie in modernen Wasserlacken, deren Feststoffanteil bis zu 50 Prozent beträgt, zudem hochkonzentriert vorliegen, würden sie wasserabstoßende Membranen durch Belagbildung (Fouling) nach relativ kurzer Zeit verstopfen. Zudem kann sich durch Wechselwirkung mit der Membran die Zusammensetzung des Lackgemisches verändern. Für das Wasserlack-Recycling waren herkömmliche Membranen deshalb unbrauchbar. Es mußten erst stark hydrophile Varianten entwickelt werden.

Schließlich spielt auch die Konfiguration des Trennmoduls eine wichtige Rolle. Als besonders effektiv haben sich Wickelmodule wie das Spira-Cel der Firma Hoechst erwiesen, deren Strömungskanäle sich durch Abstandshalter (Spacer) flexibel den jeweiligen Erfordernissen anpassen lassen; außerdem sind sie in der Größe variabel, leicht austauschbar und sehr wartungsfreundlich (Bild 2). Mit ihnen kann man das Spülwasser ohne weiteres auf etwa 25 Prozent und mit etwas mehr Geduld sogar auf 45 bis 60 Prozent Lackanteil aufkonzentrieren, was dem Gehalt des ursprünglichen Lacks entspricht. Zwar läßt die Durchflußgeschwindigkeit der Membranen mit zunehmendem Feststoffgehalt der Suspension nach, weil der Strömungswiderstand steigt; dennoch bleibt sie hoch genug, daß das Verfahren sehr ökonomisch arbeitet (Bild 3).

Bei großen Anlagen kann die Wasserabtrennung mit steigender Lack-Konzentration zu langsam werden. Dann muß der Trennprozeß in zwei Stufen erfolgen. Trotz der höheren Investitionskosten bietet dies den Vorteil, mit zwei unterschiedlichen Wickelmodultypen den Durchsatz optimieren zu können. In der ersten Stufe etwa empfiehlt sich ein relativ enger Strömungskanal mit entsprechend großer Strömungsgeschwindigkeit, was eine hohe Durchfluß-Permeatleistung bei geringerer Foulingneigung ergibt. In der zweiten Stufe halten dann relativ weite Strömungskanäle den Druckverlust in Grenzen, der aus der hohen Feststoffkonzentration resultiert. Wegen der geringeren Flüssigkeitsmenge läßt sich diese Stufe kleiner auslegen.

Mitteleuropa ist im Wasserlack-Recycling mit Wickelmodulen führend; insbesondere in Deutschland wird das Verfahren im Automobilbau zunehmend eingesetzt. Aber auch weltweit gehen immer mehr Anlagen in Betrieb. Berücksichtigt man den Umfang, in dem Wasserlacke industriell eingesetzt werden, wird ihre Aufarbeitung durch Ultrafiltration zweifellos einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, problematische Industrieabfälle zu vermeiden und Wertstoffe zurückzugewinnen, das heißt Ressourcen zu schonen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 1995, Seite 92
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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