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News: Ameisen im Auf und Ab

Wüstenameisen besitzen ein verblüffend gutes Navigationsvermögen. Haben sie auf ihrem Weg auch noch so viele Schlenker gemacht, auf dem Heimweg laufen sie schnurgerade auf das Nest zu. Dabei lassen sie sich offenbar auch von Höhenunterschieden nicht beeindrucken. Doch ob sie die vertikale Komponente ihres Weges schlicht außer Acht lassen oder in der Lage sind, die horizontalen wie die vertikalen Vektoren zu verbinden, konnten die Experimente noch nicht endgültig klären.
Auf langen, geschwungenen Pfaden bewegt sich die Tunesische Wüstenameise (Cataglyphis fortis) durch ihre karge Heimat, ständig auf der Suche nach etwas Nahrhaftem. Hat sie etwas aufgespürt, kennt sie nur noch ein Ziel: schnurstracks zurück zum Nest, um ihren Gefährtinnen davon zu berichten.

Wie es die Navigationskünstler fertig bringen, nach den zahlreichen Windungen ihres Weges in mehr oder weniger direkter Linie zurückzukehren, ist für Wissenschaftler immer noch ein nicht gänzlich gelöstes Rätsel. Es ist bekannt, dass die winzigen Tiere den Sonnenstand und auch die Polarisationsrichtung des Lichts als Wegweiser benutzen. Ständig integrieren sie die einzelnen Vektoren ihrer Bewegung, sodass sie immer den resultierenden Vektor, der sie zu ihrem Nest zurück führt, im Gedächtnis haben.

Doch wie gehen die schlanken Insekten mit Höhenunterschieden auf ihrer Strecke um, die den Weg, verglichen mit der Luftlinie, verlängern? Diese Frage stellten sich auch Wissenschaftler um Rüdiger Wehner von der ETH Zürich. Darum trainierten sie Wüstenameisen darauf, eine Futterquelle aufzuspüren, wobei die Tiere durch einen Zickzack-artigen Tunnel auf und ab krabbeln mussten. Doch gingen die Arbeiterinnen anschließend in flachem Gelände auf Expedition, begannen sie bereits nach einer deutlich kürzeren Strecke die Belohnung zu suchen als bei der Berg-und-Tal-Reise. Und auch umgekehrt ließen sich die Tiere nicht vom Auf und Ab beeindrucken: Hatten sie den Futterstandort in der Ebene gelernt, wanderten sie in der "Hügellandschaft" einfach entsprechend weiter.

Die Forscher schließen daraus, dass die Ameisen den jeweiligen Entfernungsvektor auf eine horizontale Ebene projizieren und somit nur die in der Luftlinie zurückgelegte Strecke berücksichtigen. Damit werden sie unabhängig von der Form des Geländes, in dem sie sich aufhalten – das wäre von großem Vorteil, schließlich können sie nicht ahnen, welche Berge sie noch auf dem Heimweg erwarten.

Mandyam Srinivasan von der Australian National University in Canberra jedoch ist skeptisch. Seiner Ansicht nach müssen die Ergebnisse nicht bedeuten, dass die Tiere die Informationen der dritten Dimension ausschalten. Er hält es durchaus für möglich, dass sie auch die vertikalen Vektoren integrieren – was besonders für baumbewohnende Ameisen interessant wäre. Um diese Vermutung zu überprüfen, schlägt er ein einfaches Experiment vor: Die Ameisen sollten die Position einer Futterquelle lernen, die sich am Ende einer Rampe befindet. Anschließend wird die Rampe gegen eine L-förmige Röhre getauscht. Suchen die Arbeiterinnen am Ende des liegenden Armes nach der Belohnung, berücksichtigen sie die Höhenunterschiede ihres Weges tatsächlich nicht, wie das Team um Wehner vorschlägt. Erklimmen sie jedoch auch noch den senkrechten Tunnel, können sie wohl alle Richtungsvektoren verwerten. Also auf, ihr Ameisen – an den Start!

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  • Quellen
Nature 411: 795–798 (2001)
Nature 411: 752–753 (2001)

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