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Astrochemie: Bausteine des Lebens sind älter als die Sterne

Damit Leben entsteht, müssen sich Planeten im richtigen Abstand um einen geeigneten Stern bilden, und genug Baumaterial für Biochemie muss auch da sein. Woher stammt es?
Künstlerische Darstellung einer verdampfenden protoplanetaren Scheibe um einen jungen Stern

Bevor komplexe chemische Reaktionen auf einem Planeten so etwas wie Leben hervorbringen können, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. So sollte der Planet idealerweise ein Gesteinsplanet sein, der in einem geeigneten Abstand – innerhalb der »biohabitablen Zone« – um sein Zentralgestirn kreist, damit es nicht zu warm oder zu kalt für biochemische Prozesse ist. Der Planet sollte zudem schon einige wichtige chemische Bausteine mitbringen. Eines der wichtigsten von diesen ist Methanol, aus dem dann verschiedene andere Moleküle des Lebens wie Aminosäuren entstehen können. Aber woher stammt Methanol in einem jungen Sonnensystem, in dem sich Planeten in der protoplanetaren Scheibe zu bilden beginnen? Ein Team von Astronomen beantwortet diese Frage nun mit einem astronomischen Ausschlussprinzip neu.

Die Wissenschaftler um Alice Booth von der Universität Leiden in den Niederlanden stellen ihre Idee im Magazin »Nature Astronomy« vor. Bekannt ist, dass Methanol in den tiefen Temperaturen des Alls vor allem an Staubpartikeln entsteht, wo Trockeneis aus CO2 und Wassermoleküle zusammenkommen: Durch eine Hydrierung des Kohlendioxids entsteht Methanol. Diese und weitere Biomoleküle wie Ameisensäure oder einfache Nitrile haben Astronomen bereits in kalten Materiewolken des Alls mit dem ALMA-Teleskop nachweisen können.

Solche chemischen Synthesen im All sollten aber nur bei niedrigen Temperaturen einigermaßen häufig ablaufen, weil sonst nicht genug Trockeneis an Staubpartikeln festfriert. Das Team um Booth hat nun aber eindeutige Spuren von Methanol in einer Staubscheibe um den den jungen A-Klasse-Stern HD 100546 in 360 Lichtjahren Entfernung gefunden, wo sich gerade ein Planetensystem mit mindestens zwei Gasriesen bildet. In der gasreichen protoplanetaren Scheibe um den leuchtstarken Stern ist es aber zu warm für gefrorenes CO2, so dass das Methanol nicht an Ort und Stelle entstehen dürfte, schreiben die Forscher in der Veröffentlichung.

Die Wissenschaftler schließen daher, dass Methanol schon in der Materie enthalten gewesen sein muss, die sich dann bei der Sternentstehung des Systems verdichtet hat. Das Biomolekül Methanol entstammt demnach einer kälteren, dunkleren Phase, überdauert in den immer heißeren kondensierten Wolken bei der Sternentstehung zumindest über einige Zeit in der Gasphase und wird wohl nach und nach aus den äußeren Zonen der Scheibe aus einem dort am Staub gefrorenen Molekülreservoir nachgeliefert. Die interstellare Materie enthielt zumindest im Fall von HD 100546 genug Biomoleküle, um die später entstehenden Planeten um den Stern zu versorgen. Ein entscheidender Schritt der Entstehung biochemischer Prozesse läuft also schon ab, bevor sich die Planeten und Sterne überhaupt gebildet haben.

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