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News: Atem(be)raubende Astronomie

Astronomen zieht es gern auf hohe Berge – der besseren Sicht wegen. Doch je mehr der störenden Erdatmosphäre unter ihnen liegt, desto dünner ist die verbleibende Luft zum Atmen. Deswegen geht der Bau des höchstgelegenen Observatoriums der Welt einher mit der Erforschung der Höhenkrankheit.
Atacama Large Millimeter Array (ALMA)
Auf der Suche nach den besten Beobachtungsplätzen streben die Astronomen stets nach Höherem. Die Mauna-Kea-Observatorien auf Hawaii beispielsweise – mit 13 Teleskopen die größte Sternwarte der Welt – liegen 4200 Meter über dem Meeresspiegel. Dort hat man bereits 40 Prozent der Erdatmosphäre unter sich. Beobachten kann dort nur, wer sich zuvor in der "Mid-level facility" auf 2800 Meter Höhe akklimatisiert hat.

Aber es geht noch höher: In der chilenischen Atacama-Wüste entsteht zurzeit das höchstgelegene Observatorium der Welt. Auf 5000 Meter Höhe wird 2010 eine gigantische Radioteleskop-Anlage in Betrieb gehen: das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array, kurz ALMA genannt. Neben neuen Erkenntnissen über das Weltall wird ALMA auch viel Wissenswertes über die Vorgänge im menschlichen Körper liefern. Denn die exponierte Lage ist geradezu prädestiniert zur Erforschung der Höhenkrankheit, die durch den geringen Luftdruck hervorgerufen wird. Betroffen von ihren Symptomen sind üblicherweise Bergsteiger und Reisende, die sich ohne Akklimatisierungsphase in große Höhen begegeben – und eben auch Astronomen, Techniker und Arbeiter, die ALMA errichten und betreuen.

Bereits ab Höhen von 2000 Metern können erste Symptome der Höhenkrankheit auftreten: Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Erbrechen, Atemnot. Besonders gefürchtet sind Ödeme – Flüssigkeitsansammlungen in der Lunge, im Gehirn oder in anderen Körpergeweben. Bleiben die Ödeme unbehandelt und begibt sich der Patient nicht unverzüglich in geringere Höhen, können sie innerhalb weniger Tage zum Tode führen.

ALMA hat deshalb gemeinsam mit anderen Institutionen eine Kooperation vereinbart, um die Erforschung der Höhenkrankheit voranzutreiben und das Wissen über deren Symptome und ihre Therapie zu verbreiten. Der ALMA-Sicherheitschef, Jacques Lasalle, sagte anlässlich der Unterzeichnung der Vereinbarung: "Eine zunehmende Zahl von Berufstätigen ist immer wieder einem raschen Höhenwechsel ausgesetzt – nicht nur Astronomen. Kurze Aufenthalte in großen Höhen wechseln sich ab mit Aufenthalten in Meereshöhe, aber die Dauer der Einsätze ist zumeist nicht nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten festgelegt. Wir wollen nun mit unserem Projekt unser Wissen erweitern und Schutzmaßnahmen verbessern, damit wir die Gesundheit der Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler sowie der Besucher von ALMA nicht gefährden – unabhängig von der Altersgruppe und der jeweiligen körperlichen Verfassung."

Zu den vorgesehenen Untersuchungen gehört das kontinuierliche Aufzeichnen von Körperfunktionen wie Puls, Blutdruck und Hormonspiegel mit tragbaren Geräten und das Durchführen von psychometrischen Tests. Alle Probanden, die auf 5000 Meter Höhe arbeiten, stehen dabei permanent unter medizinischer Aufsicht. An dem Projekt beteiligen sich die ALMA-Kooperationspartner (Institute aus Europa, Japan und Nordamerika), die Europäische Südsternwarte ESO, die Universität Antofagasta in Chile, die Universität von Chile und die Universität Kopenhagen.

UR

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