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Ökologie: Auf die Zange geschaut

Ohrwurmmännchen haben die Auswahl zwischen zwei verschiedenen Taktiken, eine Partnerin zu finden und den Fortbestand der eigenen Gene zu sichern. Welche Methode sich durchsetzt, bestimmt der Bevölkerungsdruck.
Ohrwurm
Zwei Männertypen gibt es beim gemeinen Ohrwurm (Forficula auricularia): Der eine, meist etwas größer und stets mit einer mächtigen Zange am Ende seines Hinterleibes ausgestattet, gibt sich recht wehrhaft. Er sucht sich eine Braut, die er dann in ihrer Wohnung unter Steinen vor unsittlichen Annäherungsversuchen männlicher Artgenossen schützt. Der andere ist in der Regel etwas mickriger und wartet nur mit einer kleinen Zange auf. Dem größeren Männertyp körperlich unterlegen, streunt er herum und versucht en passant ein Weibchen für ein kurzes Stelldichein zu erwärmen, um seine Gene an Nachkommen weiterzugeben. Beide Typen verfolgen also eine grundsätzlich unterschiedliche Fortpflanzungsstrategie, die sich äußerlich an der Zangengröße erkennen lässt.

Ohrwurm auf Blüte | Ein Ohrwurm (Forficula auricularia) auf einer Blüte: Die Zange am Ende des Hinterleibs verwenden die Insekten zur Verteidigung, zum Beutefang, beim Entfalten der Flügel sowie bei der Kopulation.
Britische Ohrwurmweibchen begegnen viel häufiger dem Herumtreiber, der mannhafte Typ ist dort eher die Ausnahme – zumindest auf dem Festland. Wesentlich häufiger findet man ihn auf den vorgelagerten Inseln. Welche Faktoren diese ungleiche Verteilung bedingen, untersuchten jetzt Joseph Tomkins und Gordon Brown von der Universität im schottischen St. Andrews.

Die beiden Forscher klaubten auf elf kleinen Inseln im Firth of Forth vor Edingburgh und auf elf Eilanden der weiter südlich vor Northumberland gelegenen Farne Islands – diese Inselgruppen bieten F. auricularia vergleichbare Lebensbedingungen – unter Steinen, Treibgut und aus den Stengeln des Wiesen-Bärenklaus die kleinen Insekten zusammen und maßen deren Zangengröße.

Um die Bevölkerungsdichte der Tierchen auf den einzelnen Inseln zu bestimmen, verteilten die Wissenschaftler dort einladende Ohrwurmhäuschen: Kleine, mit Wellpappe gefüllte Plastikröhren, die mit ihren zahlreichen dunklen Löchern alles bieten, was ein Ohrwurm an Wohnungen liebt. Drei Wochen hatten die Insekten Zeit, die Häuser zu beziehen, dann sammelten die Wissenschaftler sie samt der neu eingezogenen Bewohner wieder ein.

Auf den untersuchten Inseln variierte die Zusammensetzung der männlichen Ohrwurmpopulationen stark: Im Firth of Forth fanden sich auf zwei Inseln überhaupt keine großzangigen Exemplare, auf anderen machten sie bis zu 20 Prozent der männlichen Ohrwurmbevölkerung aus, auf den Farne Islands sogar bis zu 45 Prozent. Auffällig war dabei der enge Zusammenhang zwischen Bevölkerungsdichte und der Zangengröße in der männlichen Population: Je mehr Ohrwürmer auf einer Insel lebten, umso größer war der Anteil großzangiger Exemplare.

Den Einfluss der Populationsdichte auf die Größe der Zange erklären die Wissenschaftler damit, dass bei begrenztem Wohnraum häufiger Männchen aufeinander treffen und um Weibchen kämpfen. Die größeren Exemplare mit den mächtigen Zangen sind dann natürlich gegenüber den kleineren und weniger wehrhaften Gegnern im Vorteil. Entsprechend gut kann sich dieser Typus in der regionalen Evolution durchsetzen. Letztendlich entscheidet also die Bevölkerungsdichte darüber, welche Fortpflanzungsstrategie sich die Ohrwurmmänner zu Eigen machen.

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