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News: Die ersten Europäer?

Zwei Schädel, die bei Ausgrabungen in Georgien entdeckt wurden, haben unter Wissenschaftlern heftige Diskussionen ausgelöst. Datierungen zufolge sind die Funde etwa 1,75 Millionen Jahre alt. Damit sind sie älter als alle bisher auf dem europäischen Kontinent gefundenen Knochenüberreste. Nach Ansicht vieler Forscher hatten die frühen Menschen zu dieser Zeit den afrikanischen Kontinent aber noch gar nicht verlassen.
Die Ausgrabungsstätte Dmanisi liegt etwa 85 Kilometer südwestlich von Tiflis im Kaukasus. Der Untergrund, ein Basaltlavastrom, wurde mit der Argon-40/Argon-39-Methode auf ein Alter von etwa 1,8 Millionen Jahre datiert. Unterstützt wird dieser Befund durch paläomagnetische Untersuchungen, bei denen die Magnetisierung der Metalle im Gestein mit der Polarität des Erdmagnetfeldes verglichen wird. Auch hierbei ergab sich eine Einordnung der Fundstätte in den Zeitraum von 1,77 bis 1,95 Millionen Jahre vor heute.

In den letzten Jahren konnten Forscher bereits über einige aufsehenerregende Funde in diesem Gebiet berichten, so unter anderem in den achtziger Jahren von Elefanten- und Nashornknochen sowie weiteren Überresten afrikanischer Faunenelemente. 1991 entdeckten Wissenschaftler einen voll bezahnten Unterkiefer, den sie anhand von anatomischen Merkmalen Homo erectus zuordneten, der aber auch einige moderne Merkmale aufweist. Schon damals entbrannte eine Diskussion um das Alter des Fundes, da für diese Zeit von vielen Wissenschaftlern angenommen wird, daß die frühen Menschen noch in Afrika lebten. Die Ausbreitung nach Norden setzte ihrer Ansicht nach erst vor etwa einer Million Jahre ein – denn aus dieser Zeit stammten die bisher ältesten Funde von menschlichen Überresten auf dem europäischen Kontinent.

Im Sommer 1999 'stolperten' die Forscher vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz und ihre Mitarbeiter in Dmanisi nahezu zufällig über zwei Schädel, von denen einer sogar noch vier Zähne aufweist, während dem anderen der gesamte Gesichtsbereich fehlt. Ob der bekannte Unterkiefer zu einem der Schädel gehört, können die Wissenschaftler noch nicht endgültig sagen. Sicher ist jedoch, daß ein Schädel von einem Kind oder Jugendlichen stammt, der andere von einem Erwachsenen.

Die Schädelmerkmale gleichen sehr stark anderen Funden, die dem Frühmenschen Homo erectus zugeordnet werden. Selbst die Größe des kleineren Schädels liegt über allen Werten von Menschenformen, die zeitlich vor Homo erectus auftraten. Innerhalb dieser Art ähneln die beiden Funde eher den afrikanischen als den jünger einzustufenden asiatischen Fossilien. Die beste Übereinstimmung in genereller Form, Gestalt der Überaugenwülste und weiteren Merkmalen zeigt sich mit einem in Kenia gefundenen Skelett eines etwa zwölfjährigen Jungen, der zu Homo ergaster, der Frühform von Homo erectus, gerechnet wird. Diese Gruppe lebte vor etwa 1,8 bis 1,5 Millionen Jahren, was sich gut mit dem Alter der Fundstätte von Dmanisi deckt.

Nach derzeitigem Forschungsstand war Homo erectus wahrscheinlich der erste Mensch, der seinen Lebensraum über die Grenzen Afrikas hinaus ausgedehnt hat. Er lernte, mit Feuer umzugehen, und konnte sich so neue Lebensräume erschließen und neue soziale Verhaltensweisen entwickeln. Die in den siebziger Jahren entstandene Ansicht, daß dies vor etwa einer Million Jahre geschah, geriet bereits durch Funde auf Java ins Wanken. Die beiden Schädel von Dmanisi könnten diese Meinung womöglich endgültig umstoßen.

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