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Sterbende Sterne: Die Sonne wird zum Kristall

Beobachtungen an Weißen Zwergen geben Aufschluss über das Schicksal unserer Sonne: Dereinst wird sich ihr Inneres in einem regelmäßigen Gitter anordnen.
Künstlerische Darstellung des kristallinen Inneren eines Weißen Zwergs.

Die ausgeglühten Überreste der Sonne werden dereinst zu einem gigantischen Kristall werden. Das schließen Fachleute aus Daten der ESA-Sonde Gaia, die bei einer Kartierung der Milchstraße die präzisen Entfernungen von hunderttausenden Weißen Zwergen maß. Aus diesen Angaben errechnete die Arbeitsgruppe um Pier-Emmanuel Tremblay von der University of Warwick die absolute Helligkeit von etwa 15 000 dieser Sternleichen und entdeckte eine Art »Stau« in ihrer Entwicklung. Demnach bleiben Weiße Zwerge unabhängig von Masse und Alter an einem bestimmten Punkt ihrer Entwicklung für geraume Zeit bei einer spezifischen Kombination aus Leuchtkraft und Farbe hängen: Irgendein Effekt stoppt ihre langsame Abkühlung. Die Quelle der zusätzlichen Wärme ist die bei der Kristallisation ihres Inneren frei werdende Energie, schreiben die Fachleute in »Nature«.

Der Effekt ist keineswegs exotisch, man kann ihn in der eigenen Küche beobachten: Kühlt man Wasser langsam ab, bildet sich am Gefrierpunkt Eis. Aber das nach und nach entstehende Eis wird danach keineswegs kälter als das Wasser: Solange noch flüssiges Wasser vorhanden ist, hat die gesamte Mischung eine Temperatur von null Grad. Erst wenn das gesamte Wasser fest geworden ist, sinkt die Temperatur weiter.

Unsere Sonne wird eines Tages den Weg des Eiswürfels gehen, legen die Gaia-Daten nahe. Wenn Sterne wie die Sonne ihren Vorrat an Wasserstoff zu Helium fusioniert haben, werden sie zu Roten Riesen: Diese fusionieren Helium zu Sauerstoff und Kohlenstoff, blähen sich durch die höhere Temperatur dramatisch auf und stoßen dabei die äußere Hülle aus Sternmaterie ab. Ihre Masse reicht jedoch nicht aus, um die entstehenden Elemente weiter zu fusionieren. Ist das Helium verbraucht, kommt die Fusion zum Erliegen – ein Weißer Zwerg ist entstanden. Der Klumpen aus Kohlenstoff und Sauerstoff kühlt langsam ab, ohne jemals wieder Energie erzeugen zu können.

Das Team um Tremblay zeigt nun: Die Abkühlung pausiert für Milliarden Jahre und lässt alte Weiße Zwerge jünger erscheinen, als sie sind. Schuld daran ist ein Phasenübergang, ganz ähnlich wie Wasser. Bereits vor 50 Jahren wurde der nun nachgewiesene Effekt von Hugh M. van Horn im »Astrophysical Journal« vorhergesagt: Wenn die dichte Materie des Weißen Zwergs abkühlt, erreicht sie irgendwann eine Kombination aus Druck und Temperatur, bei der sich die Atome zu einem Kristallgitter zusammenfinden.

Bei diesem Prozess wird Energie frei – jene Energie, die man aufwenden muss, um das Gitter beim Schmelzen wieder aufzubrechen. Das stabilisiert die Temperatur des Sternenrests, denn alle an der Oberfläche verlorene Energie wird von der kristallisierenden Materie im Inneren nachgeliefert. Erst wenn die gesamte Materie kristallisiert ist, kühlt das Objekt weiter ab. Bis unsere Sonne zum Kristall wird, dauert es allerdings noch ein Weilchen: Unser Stern hat noch für etwa fünf Milliarden Jahre Brennstoff, und das Team schätzt, dass sie danach weitere fünf Milliarden Jahre abkühlen muss, damit der Prozess einsetzen kann.

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