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Nanotechnik: Dünnste Wasserleitung ist nur ein Molekül dick

Ein extrem feiner Kanal verlangt exotische Verrenkungen von Wasser: Um durch dieses Rohr zu fließen, muss sich selbst Dampf in Eis verwandeln.
Chematische Wasserstoffbrückenbindungen zwischen fünf Wassermolekülen in hexagonalem Eis.

Eine Arbeitsgruppe um den Nobelpreisträger Andre K. Geim hat Wasserleitungen entwickelt, die kaum dicker als einzelne Wassermoleküle sind – und deswegen auch nur diese durchlassen. Das berichtet die Arbeitsgruppe des Graphen-Entdeckers in »Science«. Bisher gelang das nur der Natur: Besondere Kanalmoleküle, die Aquaporine, haben einen schmalen Durchlass im Zentrum, der Wasser hindurchlässt, aber keine gelösten Salze. Diese Struktur künstlich nachzubauen, erwies sich bisher als sehr kompliziert. Der neue Fortschritt basiert auf der von Geim mitentdeckten Wunderfolie Graphen: Parallele Bänder des exakt eine Atomlage dicken Kohlenstoffallotrops trennen zwei in atomarem Maßstab ebene Kristalle aus Graphit oder Bornitrid. Zwischen den Graphenbändern entstehen dadurch Kanäle, die so hoch sind, wie Graphen dick ist: etwas über 0,3 Nanometer. Wassermoleküle passen hindurch, in Wasser gelöste Salze jedoch nicht.

Gleichzeitig sind die Kanäle mit etwa 130 Nanometern deutlich breiter. Um durch diesen Schlitz hindurchzupassen, muss das Wasser einen exotischen Zustand annehmen. Es ordnet sich in einer Struktur an, die ebenso quasizweidimensional ist wie das Graphen selbst und fast ebenso präzise geordnet: quadratisches Eis. Als ultraflaches Band aus Molekülen in quadratischer Symmetrie schiebt sich das Wasser durch die Kanäle von Geims Konstruktion. Salze und andere geladene Stoffe dagegen können die Schlitze nicht passieren. Ihre Atome umgeben sich mit dicken Hüllen aus Wassermolekülen, die selbst bei den kleinsten Ionen mehr als doppelt so dick wie die von Geim konstruierten Kanäle sind.

Vermutlich können auch ungeladene Moleküle nicht so einfach eindringen: Sie müssten dazu das Gitter der Eisstruktur aufbrechen, was viel Energie kostet. Ein besonderer Stoff allerdings ist als einziger nicht zu stoppen: Wasserstoffionen werden durch den Grotthus-Mechanismus von Molekül zu Molekül gereicht – und wandern so auch durch die zweidimensionale Wasserschicht hindurch. Ob sich diese Besonderheit als praktisch relevant erweist, ist aber noch nicht absehbar. Geims Arbeitsgruppe schlägt vor, eine größere Version des Prinzips für Entsalzungsanlagen zu nutzen und auf diesem Weg Trinkwasser zu gewinnen. Dazu allerdings bewegt sich das Eis in den Schlitzen vermutlich zu behäbig, der Prozess würde wohl viel Energie kosten und lange dauern. Stattdessen verspricht die Konstruktion interessante Einsichten ins Verhalten von Wasser unter exotischen Bedingungen: Als quasizweidimensionale Lage verliert es viele seiner Eigenschaften, die es unter normalen Bedingungen so besonders machen.

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