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News: Ein Röntgenblick auf Ribosomen

Erste Bilder von der Struktur eines kompletten Ribosoms konnten amerikanische Wissenschaftler präsentieren. Mit Röntgenkristallographie und biochemischen Methoden gewannen die Forscher neue Erkenntnisse über die Verknüpfung der Untereinheiten miteinander. Außerdem zeigen die Bilder, wie sich die transfer- RNA in den Bindungsstellen am Ribosom anordnet.
Ribosomen sind kleine "Molekülklumpen" aus Proteinen und RNA, in denen die genetische Information umgesetzt wird in die Synthese von Proteinen. Sie bestehen aus zwei Untereinheiten, einer großen und einer kleinen, die sich erst bei der Proteinbiosynthese zusammenlagern. Überträger der genetischen "Bauanleitung" ist die messenger-RNA, eine Arbeitskopie der relevanten DNA-Abschnitte. Aminosäuren, die Bausteine für die Proteine, werden von der transfer-RNA zu den Ribosomen transportiert, die dafür drei Bindungsstellen im Zwischenraum zwischen den beiden Untereinheiten aufweisen. Der Zusammenhalt der beiden Einheiten erfolgt über die ribosomale RNA.

Die Forschung konzentriert sich vor allem auf Ribosomen von Bakterien, die ein wenig kleiner sind als diejenigen von anderen Organismen. Doch auch die bakteriellen Ribosomen sind schon sehr komplex: Sie bestehen aus drei unterschiedlichen RNA-Molekülen und mehr als fünfzig verschiedenen Proteinen.

Auch die Forschergruppe um Harry Noller von der University of California, Santa Cruz arbeitete mit bakteriellen Ribosomen – sie verwendeten das 70S-Ribosom von Thermus thermophilus. Um Bilder von der komplexen Struktur zu erhalten, nutzten Noller und seine Mitarbeiter die Röntgenkristallographie. Dafür wurden Kristalle von aufgereinigten Ribosomen gezüchtet und anschließend mit Röntgenstrahlen beleuchtet. Aus dem Muster der an den Atomen gebeugten Strahlen konnten die dreidimensionale Bilder berechnet werden (Science vom 24. September 1999).

"Was wir jetzt haben, sind nur ein paar Schnappschüsse", sagt Noller. "Was wir irgendwann erreichen wollen, ist ein Film von einem Ribosom in Aktion." Auf den Bildern ist zu erkennen, wie sich die transfer-RNA an den drei Bindungsstellen anordnet. Während der Proteinsynthese wandert die transfer-RNA von einer Bindungsstelle zur nächsten. "Die transfer-RNA bewegt sich wie auf einem Fließband", erläutert Jamie Cate, ein Mitglied des Forschungsteams.

Weiterhin entdeckten die Wissenschaftler einen Mechanismus, der an eine Art molekularen Schalter erinnert, und der womöglich bei der Kommunikation zwischen großer und kleiner Untereinheit eine Rolle spielt. Ein Bestandteil davon ist eine Schlinge der RNA, von der bereits seit längerem bekannt ist, daß sie sich auf zwei verschiedene Weisen räumlich anordnen kann.

Auch zu den Verknüpfungen der Untereinheiten miteinander konnten die Forscher neue Einzelheiten herausfinden. So beschreiben sie, daß eine Schleife der ribosomalen RNA von der großen Untereinheit mit einem Protein der kleinen Untereinheit wechselwirkt und so eine molekulare Brücke zwischen den beiden Einheiten entsteht. "Das Verständnis, wie die beiden Untereinheiten miteinander wechselwirken, ist entscheidend dafür, daß wir verstehen, wie ein Ribosom arbeitet. Zum ersten Mal waren wir in der Lage, das Protein und die RNA-Bestandteile zu identifizieren, welche die Brücke zwischen den beiden Untereinheiten bilden", sagt Gloria Culver, die umfangreiche biochemische Untersuchungen der Molekülbrücke durchführte.

"Die Röntgenkristallographie und die biochemischen Experimente ergänzten einander hervorragend darin, diese klaren Ergebnisse zu erzeugen", erklärt Nöller. Weitere Forschungsansätze sieht er nun zum einen darin, die Auflösung der Bilder immer weiter zu verbessern, bis womöglich ein Atommodell des gesamten Komplexes möglich ist. Zum anderen soll nun die Struktur des Ribosoms während verschiedener Aktivitätsphasen und bei verschiedenen Bindungspartnern genauer beleuchtet werden.

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