Direkt zum Inhalt

Sternentod: Ein schlapper Blitz schließt die Lücke

Das Ende eines massereichen Sterns ist ein wahres Inferno: Zumindest zerreißt ihn seine eigene Energie in einer Supernova, doch manche Exemplare sterben noch dramatischer mit einem Blitz von Gamma- und Röntgenstrahlen. Nur manchmal klappt das nicht so ganz.
Gammastrahlenausbruch
Alles hat sein Ende – selbst wenn es Milliarden Jahre auf sich warten lässt. Im Falle der Sterne kommt es, wenn ihr Vorrat an Wasserstoff und Helium sich dem Ende neigt, sodass sie ihr Fusionsfeuer im Inneren nicht weiter aufrechterhalten können. Wenn diese Atomkerne aber nicht mehr miteinander verschmelzen und durch die dabei abgestrahlte Energie die ständig drängende Gravitationskraft der Materie des Sterns zurückhalten, kommt es unweigerlich zum Kollaps. Bei den massereichen Exemplaren implodiert der zentrale Bereich zu einem Neutronenstern oder gar einem Schwarzen Loch, wobei die Wucht des Zusammenbruchs die äußere Sternenhülle ins Weltall davon bläst. Findet dies Ereignis nahe genug an der Erde statt, können wir es als Supernova beobachten: ein Lichtpunkt, der plötzlich für einige Tage sehr viel heller erstrahlt als jemals zuvor und dann allmählich verblasst.

Gammastrahlenausbruch | Nach der aktuellen Vorstellung entstehen Gammastrahlenausbrüche, wenn heiße Gase beim Sturz in ein neu entstandenes Schwarzes Loch große Mengen Energie als Jets in einen engen Winkelbereich abstrahlen (schematische Darstellung).
In manchen Fällen nimmt das Drama aber weit heftigere Ausmaße an. Dann blitzt es für einige Sekunden bis Minuten hell im Bereich der hochenergetischen Gammastrahlung auf. Lange Zeit wusste niemand, wie diese Gammastrahlenausbrüche entstehen, mittlerweile nimmt man an, dass heiße Gase in das frisch geborene Schwarze Loch fallen und in eng gebündelten Strahlen die freiwerdende Energie in den Raum schießen. Die Gesamtmenge der Energie sollte dabei stets in etwa gleich groß sein, sagten die Modelle voraus. Wie viel davon auf der Erde ankommt, dürfte nur von dem Ausstoßwinkel und der Entfernung abhängen. Und die Distanz sollte besser sehr groß sein, denn die bislang beobachteten Gammablitze hatten ihre Quellen alle in entfernten Galaxien. Ein entsprechender Ausbruch in der Milchstraße mit der Erde im Visier wäre mit ziemlicher Sicherheit ein finales Erlebnis für die Menschheit.

Bild | Diese Aufnahme hat das Gammastrahlenobservatorium Integral von dem Gammablitz GRB 031203 (oben rechts) im Röntgenlicht gemacht. Die Quelle war für einige Sekunden heller als die Sterne im gleichen Bildausschnitt (Kreuze).
Weil Gammablitze nur sehr kurz andauern und überall am Himmel stattfinden können, sind sie äußerst schwierig zu beobachten. Daher haben Astronomen ein cleveres Benachrichtigungssystem aufgebaut, damit sie im Falle einer Meldung in kurzer Zeit eine Vielzahl von Teleskopen auf die betreffenden Koordinaten ausrichten können. Am 3. Dezember 2003 lief die Kaskade ab: Das Gammastrahlenobservatorium Integral (International Gamma-Ray Astrophysics Laboratory) der Esa gab rekordverdächtige 18 Sekunden nach Einsetzen eines Blitzes im Sternbild Puppis (Hinterdeck des Schiffes) Alarm. Kurz darauf richteten Observatorien auf der Erde und im Orbit ihre Instrumente neu aus. GRB 031203, wie der Blitz später genannt wurde, konnte nun auf Herz und Nieren vermessen werden.

Es stellte sich heraus, dass GRB 031203 mit "nur" 1,3 Milliarden Lichtjahren Entfernung der dichteste Gammastrahlenausbruch war, den man bislang gesichtet hatte. Nur ein Ereignis im Jahre 1998 war noch näher gewesen, passte jedoch aufgrund seines Energiespektrums nicht so ganz in das Schema: Statt im Gammawellenbereich hatte jener sterbende Stern vor allem Röntgenlicht ausgestrahlt. GRB 031203 hingegen war in dieser Hinsicht eindeutig ein Gammablitz. Allerdings ein außergewöhnlich schwacher. "Weil er so nah war, sollte GRB 031203 eigentlich sehr hell erscheinen, doch seine Energie in Gammastrahlung ist [...] etwa tausendmal geringer, als wir es bei einem Gammablitz normalerweise erwarten", sagt Sergej Sazonow vom Max-Planck-Institut für Astrophysik [1].

Diese Beobachtung bestätigen US-amerikanische Wissenschaftler um Alicia Soderberg vom California Institute of Technology. Sie haben das "Nachglühen" von GRB 031203 untersucht, das entsteht, wenn die Explosionswelle des Gammablitzes das umgebende Gas aufheizt. Vom Röntgenlicht bis hin zu den Radiowellen war GRB 031203 um den Faktor Tausend zu dunkel [2]. Jedenfalls nach den vorherrschenden Theorien von Gammastrahlenausbrüchen.

Wenn Theorie und Realität nicht miteinander auskommen, dann schlagen sich gute Wissenschaftler auf die Seite der Realität. "Die Idee, dass alle Gammablitze dieselbe Menge Gammastrahlung freisetzen oder, wie wir sagen 'Standardkerzen' sind, wird durch die neuen Beobachtungen widerlegt", erklärt darum Sazonow. Offenbar gibt es Zwischenstufen unterhalb der bislang als typisch erachteten Gammablitze und oberhalb "gewöhnlicher" Supernovae, vielleicht sind die Übergänge sogar fließend. Welche Variationen es beim Tod der Sterne genau gibt, werden wir aber erst erfahren, wenn die geplante Swift-Mission der Nasa mit ihren empfindlicheren Geräten gestartet ist. So lange muss es in entfernten Galaxien schon mächtig knallen, damit wir einen Zuschauerplatz wie in der ersten Reihe haben.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.