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News: Eine neue Form der Gentherapie

Normalerweise wird bei der Gentherapie ein defektes Gen durch ein korrektes ersetzt oder DNA, welche die entsprechende fehlende Information trägt, in die Zelle gebracht. Einen dritten Weg beschreiten Wissenschaftler, indem sie kurze Molekülketten in den Zellkern bringen, die fehlerhafte Arbeitskopien der Gene erkennen und verhindern, daß nach diesen Vorlagen Proteine produziert werden.
Bei dieser Form der Gentherapie, die Wissenschaftler der University of North Carolina in Chapel Hill und der Universität Bern in der Schweiz entwickelt haben, wird die genetische Veränderung maskiertt, anstatt sie auszuschneiden und zu ersetzen. Bisher wurde die Technik nur im Labor an Zellkulturen getestet. Kleine RNA-Moleküle verhinderten die fehlerhafte Weiterverarbeitung der messenger-RNA (mRNA) des beta-Globins, eines Blutproteins.

Die mRNA ist eine Arbeitskopie der DNA. Im Verlaufe der sogenannten Transkription wird die Information eines Gens Nucleotid für Nucleotid (gewissermaßen Buchstabe für Buchstabe) in eine Prä-mRNA umgeschrieben. Bei höheren Zellen sind darin noch einige überflüssige Abschnitte enthalten, die anschließend herausgeschnitten – in der Fachsprache: gespleißt – werden, bevor die nun fertige mRNA den Zellkern verläßt und in das Cytoplasma wandert, wo dann nach dieser Vorlage die Proteine zusammengesetzt werden.

Bei der neuen Methode blockieren kurze RNA-Fragmente, die wie ein Negativ zu der mutierten Stelle auf der fehlerhaften Prä-mRNAs passen, deren Spleißung. Die therapeutische RNA bindet im Bereich der Mutation und macht es dem zuständigen Enzymkomplex unmöglich, die Prä-mRNA zu verarbeiten. Als Ergebnis werden nur noch korrekte Arbeitskopien produziert, welche die richtigen genetische Anweisungen tragen. In ihrer Experimenten führten Kole, seine Doktorandin Linda Groman sowie Daniel Suter und Daniel Schümperli vom zoologischen Institut der Universität Bern modifizierte RNA-Moleküle in Zellen ein, die mutierte Gene für Beta-Thalassämie enthielten, wodurch der Anteil der gesunden mRNA deutlich anstieg (Proceedings of the National Academy of Sciences, Ausgabe vom 28. April, Abstract).

"Diese Arbeit gibt Anlaß zu der berechtigten Hoffnung, daß wir eines Tages in der Lage sein werden, Beta-Thalassämie zu heilen – nicht nur zu behandeln. Beta-Thalassämie ist ein ererbter Mangel an Hämoglobin, dem lebenswichtigen Protein, das Sauerstoff transportiert und dem Blut seine rote Farbe verleiht", sagte Kole, Mitglied des Lineberger Comprehensive Cancer Center der University of North Carolina. "Noch sind wir ein paar Schritte davon entfernt, diese neue Methode an Patienten zu erproben, aber sie ist ziemlich vielversprechend." Beta-Thalassämie ist auf Zypern, im Nahen Osten und Südostasien weit verbreitet. In schweren Fällen führt die unbehandelte Erkrankung zu akuter Anämie und zum Tod in jungen Jahren.

Ein Vorteil des RNA-Verfahrens liegt nach Aussage von Kole darin, daß die Gene selbst nicht verändert werden und die damit verbundenen Risiken wegfallen. Allerdings muß genau bekannt sein, welche Mutation auf der DNA vorliegt, um ein maßgeschneidertes RNA-Fragment herstellen zu können.

"Während diese Forschungsergebnisse zeigen, daß derartige Moleküle dauerhaft in Zellkulturen eingeführt werden können, ist das eigentliche Ziel, diese Partikel in das Knochenmark von Patienten einzubauen. Dort werden die roten Blutzellen erzeugt, die das Hämoglobin durch den Körper transportieren", sagte Kole. Die neue Gentherapietechnik könnte nach seiner Einschätzung auch bei vielen anderen genetisch bedingten Erkrankungen ebenso wirksam sein.

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