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Hochtemperatur-Supraleitung: Forscher präsentieren neues elektrisches Wundermaterial

Physiker haben eine chemische Verbindung identifiziert, die Strom verlustfrei leitet, und das nahe der Zimmertemperatur. Noch hat die Entdeckung allerdings einen Haken.
Hochtemperatur-Supraleiter

Zwei Physikerteams berichten von einem spektakulären Erfolg bei der Suche nach Materialien, die Strom ohne Wärmeverluste übertragen. Diese Supraleitung könnte dereinst unser Elektrizitätswesen revolutionieren. Meist weisen Stoffe die besondere Eigenschaft aber nur dann auf, wenn man sie fast bis zum absoluten Temperaturnullpunkt bei minus 273 Grad Celsius abkühlt.

In den vergangenen Jahrzehnten haben Wissenschaftler jedoch wiederholt chemische Verbindungen identifiziert, die auch bei deutlich höheren, jedoch immer noch bitterkalten Temperaturen supraleitend werden. 2015 präsentierten Physiker beispielsweise Hinweise darauf, dass Schwefelwasserstoff Strom bei einer Temperatur von minus 70 Grad verlustfrei leitet. Allerdings musste das Team seine Materialprobe dafür extrem stark zusammenpressen.

Das gilt auch für die Verbindung, in der nun die Gruppen um Russell J. Hemley von der George Washington University und Mikhail Eremets vom Max-Planck-Institut für Chemie Hinweise auf Supraleitung aufgespürt haben wollen. Bei dem Stoff handelt es sich um ein Kristallgitter, in dem Wasserstoffatome käfigartig Atome des Übergangsmetalls Lanthan umschließen. Dieses LaH10 sei bis zu einer Höchsttemperatur zwischen minus 13 und minus 23 Grad supraleitend, berichten die Forscher unabhängig voneinander in zwei Veröffentlichungen. Eine von ihnen ist nun im Fachmagazin »Physical Review Letters« erschienen, die andere wurde noch nicht von Gutachtern geprüft.

LaH10 wird demnach nur unter gewaltigem Druck supraleitend, ganz ähnlich wie der bisherige Rekordhalter Schwefelwasserstoff. Die Forscher packten ihre Materialproben in eine Diamantpresse und übten damit einen Druck von 170 bis 185 Gigapascal aus, was etwa dem 1,8-Millionenfachen des auf der Erde üblichen Atmosphärendrucks entspricht. Erst unter diesen Extrembedingungen zeigte sich die Supraleitung, was eine technische Anwendung schwer vorstellbar macht.

Aus Sicht von Experten sind außerdem noch weitere Experimente nötig, damit die Fachwelt den jüngsten Ergebnissen wirklich Glauben schenkt. Präzisionsmessungen an Diamantpressen gelten als knifflig. Obendrein haben Physiker noch nicht wirklich verstanden, welche Mechanismen zwischen Atomen und Elektronen den elektrischen Widerstand in Hochtemperatur-Supraleitern verschwinden lassen.

Sollte LaH10 diese Hürden nehmen, wäre das eine wichtige Etappe bei der Suche nach Hochtemperatur-Supraleitern, die auch bei gemäßigteren Drücken ihren elektrischen Widerstand verlieren. So hatten Physiker bereits im Vorfeld der jüngsten Experimente vorhergesagt, dass Lanthan-Wasserstoff-Verbindungen bei hohen Temperaturen supraleitend werden dürften. Fachleute halten es daher für wahrscheinlich, dass auf diesem Feld in den kommenden Jahren große Fortschritte gemacht werden.

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