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News: Gezeiten im Klima

Steuern wir nun auf eine neue Eiszeit zu, oder wird es immer wärmer? Prognosen gibt es viele, sichere Vorhersagen nicht eine einzige. Kein Wunder, schließlich müssen die Wissenschaftler unzählige Faktoren unterschiedlicher Gewichtung in die Berechnungen einbeziehen. Nun haben sie gar noch einen weiteren entdeckt: Zyklische Schwankungen in der Kraft der Gezeiten wirken sich ebenfalls auf das Klima aus. Und wir befinden uns gerade wieder in einer Phase der Erwärmung.
Wie wird das Klima der Zukunft aussehen? Eine interessante, sehr umstrittene und für uns lebenswichtige Frage. Mit möglichst umfassenden Messprogrammen und Computersimulationen versuchen Wissenschaftler, der Antwort auf die Spur zu kommen. Und immer wieder entdecken sie neue – natürliche wie anthropogene – Faktoren, die in dem komplizierten Wechselspiel eine Rolle spielen.

So sollen unter anderem Schwankungen in der Sonneneinstrahlung im Abstand von 20 000 bis 100 000 Jahren Eiszeiten verursacht haben, eine Ansicht, die Milankovitch 1941 zum ersten Mal formuliert hat. Doch für kurzfristigere Klimaveränderungen, wie sie zum Beispiel nach Eisbohrkernen und Tiefseebohrungen etwa alle tausend Jahre vorkommen, liefert die Sonne keine Erklärung.

Neuen Erkenntnissen zufolge scheint hierbei der Mond eine wichtige Rolle zu spielen. Wissenschaftler um Charles Keeling von der Scripps Institution of Oceanography berichten von Hinweisen, dass sich mit einer Periode von etwa 1800 Jahren die Stärke der Gezeitenkräfte ändert. Die Ursache dafür sind allmähliche Schwankungen der Mondbahn im Laufe von Jahrhunderten (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 21. März 2000, Abstract). Dieser Zyklus wird noch von einem weiteren himmelsmechanischen Einfluss überlagert, der sich mit einer Dauer von im Mittel 5000 Jahren auf die Amplitude dieser Schwankungen auswirkt.

Doch welche Bedeutung haben die Gezeitenkräfte für das globale Klima? Bei starken Tiden werden die Meere tiefer durchmischt. Auf diese Weise dringt mehr kaltes Tiefenwasser an die Oberfläche, das die Luft über dem Ozean und über den angrenzenden Kontinenten abkühlen lässt, oft in Verbindung mit Trockenzeiten.

Historisch belegte Ereignisse der Weltgeschichte bestätigen die Ergebnisse der Wissenschaftler anscheinend. Zumindest stellten sie fest, dass die größten Schwankungen in der Gezeitenkraft häufig zeitlich damit übereinstimmen. Dazu gehörten unter anderem die kleine Eiszeit von etwa 1400 bis 1800 n. Chr., eine ausgeprägte Trockenzeit im Amazonasbecken etwa 2200 v. Chr. und eine Dürreperiode um 2000 v. Chr., die womöglich zum Zusammenbruch der Akkadia-Zivilisation in Mesopotamien beigetragen hat, die als erstes Weltreich in der Geschichte betrachtet wird. Auch die Wikinger mussten den Einfluss am eigenen Leib erfahren. Sie siedelten im 10. Jahrhundert bei gemäßigten Klimabedingungen in Grönland, am Ende einer Phase schwacher Gezeitenkräfte. Als sich die Tiden dann zu Beginn der kleinen Eiszeit im 13. Jahrhundert verstärkten, mussten sie ihre Siedlungen aufgeben und das Land verlassen. Neben den historischen Hinweisen gibt es noch weitere Daten, welche die Periode von 1800 Jahren unterstützen. So treten zum Beispiel in den Sedimenten des Minnesota-Sees in genau diesem Zeitintervall Staubablagerungen auf.

Und welche Prognose lässt sich nun daraus ableiten? Den Daten zufolge befindet sich die Erde gerade einmal wieder in einer schnellen Erwärmungsphase. Der Höhepunkt der Abkühlung wurde etwa 1974 erreicht. Er hätte vielleicht noch deutlicher ausfallen können, meint Keeling, aber womöglich wurde er vom Treibhauseffekt überlagert. Wir dürfen also auf neue Modellrechnungen gespannt sein.

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