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Eusoziale Insekten: Insulin-Gen krönt alle Ameisenköniginnen

Die Karriere von Ameisenarbeiterin und Ameisenkönigin könnte kaum unterschiedlicher sein. Dabei könnte ein einziges Gen alles ändern, vermuten Forscher.
Kasten im Ameisenstaat

Der Lebensweg eines »eusozialen Insekts«, also etwa einer Ameise oder Biene, ist strikt vorgezeichnet: Viele Tiere im Insektenstaat sind zu lebenslanger Arbeit geschaffen, sehr wenige als Herrscherin und zur Fortpflanzung. Die klare Spezialisierung getrennter Kasten innerhalb der Art hat sich in der Evolution offensichtlich glänzend bewährt – sie wirft aber einige Fragen auf. Wie zum Beispiel entstand das System, und welche Übergangsformen hat es gegeben? Und wie ist geregelt, dass einzelne Tiere mit gleichem Genpool so völlig unterschiedliche Wege einschlagen können? Antworten liefert nach Genanalysen nun ein Insektenforscherteam in »Science«: Die Experimente rücken bei Ameisen überraschenderweise nur ein einzelnes Gen ins Zentrum des Geschehens.

Die Forscher um Vikram Chandra von der Rockefeller University haben das Transkriptom – also alle aktiven Gene – in den Hirnzellen der eher untypischen Ameise Ooceraea biroi analysiert. Die Spezies ist in einem zumindest für Ameisen schwach ausgeprägten Kastenwesen organisiert, das nur zu geringer Arbeitsteilung führt. So kennt O. biroi auch keine Königin mit Fortpflanzungsmonopol: Alle Tiere der Kolonie können sich parthenogenetisch durch Thelytokie fortpflanzen, bei der stets Weibchen-Klone aus unbefruchteten Eiern entstehen. Die Auswertung des Transkriptoms der Tiere zeigte nun, dass bei allen Tieren, die sich fortpflanzen, stets eine höhere Aktivität des Gens ilp2 zu beobachten war, das das »insulinähnliche Peptid 2« kodiert.

Ameisenklone bei der Brutpflege

Hier kümmern sich die kastenlosen Klone von Ooceraea biroi um die Larven der Kolonie. Der Kontakt sorgt dafür, dass die Tiere sich nicht selbst fortpflanzen – Ursache ist der abgesenkte Spiegel eines Insulin-Gens.

Wie dann weitere Analysen zeigten, hängt die Aktivität des Gens von der Gegenwart von Larven in der Nähe der Tiere ab: Gibt es viele Larven, also viel Nachwuchs, wird die ilp2-Aktivität gebremst. Die Forscher erhöhten nun in einem Versuch die Menge von ilp2 in einzelnen Tieren künstlich und konnten so am Ende Individuen erzeugen, die sich ausschließlich fortpflanzen, eine Art künstliche Königin. Die Menge des Peptids in den Tieren – und damit der Insulinstoffwechsel – könnte demnach über eine Zugehörigkeit zu einzelnen Kasten entscheiden, spekulieren die Forscher.

Tatsächlich findet sich ein ähnliches Muster auch bei anderen, womöglich bei allen Ameisen, wie die Forscher herausfanden. Denn bei sieben untersuchten Arten entdeckten sie beim Vergleich der aktiven Gene in den Hirnzellen von fortpflanzungsaktiven Tieren und Arbeiterinnen unter 5581 Genen einen deutlichen Unterschied immer nur bei ilp2. Stets war das Gen, das wohl schon beim Urahn aller Ameisen vorkam, bei fortpflanzungsaktiven Tieren deutlich aktiver. Es sei also durchaus denkbar, dass eine allmähliche Veränderung der Aktivität dieses Gens bei einzelnen Arten das Kastenwesen und die Spezialisierung hervorgebracht hat – was sich dann im Lauf der Evolution als erfolgreiche Strategie durchgesetzt hat. Dass ausgerechnet ein Insulin-Gen die Rolle übernommen hat, liegt für die Forscher nahe: Womöglich sorgte eine höhere Aktivität zunächst nur dafür, dass der Stoffwechsel hochgefahren und Nahrung schneller umgesetzt wurde, was gerade vor der anstrengenden Fortpflanzung sinnvoll scheint. Später hat der Mechanismus sich dann vielleicht verselbstständigt.

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