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News: Laborkollege Roboter

In der pharmazeutischen Industrie müssen komplexe Analysen mit Hunderten oder gar Tausenden von Substanzen durchgeführt werden. Da immer wieder die gleichen Tätigkeiten auszuführen sind, liegt es nahe, Roboter mit der Aufgabe zu beschäftigen. Eine kleine österreichische Firma hat ein recht erfolgreiches Gerät entwickelt und bereits an mehrere große Konzerne verkauft.
Eine Million Proben können mit dem "ROBOLAB" des Unternehmens Robocon mit Sitz in Simmering innerhalb von zwei Wochen getestet werden. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von Mai 1997 bis Mai 1998 von sieben auf 21. – Was erst recht deutlich macht, wie gefragt die Produkte sind.

"Von den acht größten Pharmakonzerne benutzen bzw. werden bald fünf solche Laborroboter von uns benutzen. Der für den US-Konzern Merck wird gerade aufgestellt", erzählte Robocon-Produktmanager Mag. Lukas Madl der APA.

Robocon gibt es seit 1991. Damals starteten die Biochemiker Dr. Franz Leichtfried und Dr. Christian Pieler gemeinsam mit zwei weiteren Gründungsmitgliedern nach ihrer Rückkehr von einem Aufenthalt bei einem Gentechnik-Unternehmen in den USA das Geschäft. Das Ziel: Die Automatisierung der Laborarbeit für Pharma- und andere Unternehmen.

1992 wurde dann eine Anlage bei Bender+Co. in Wien (Boehringer Ingelheim) aufgestellt. Dort tut "Robi Knickarm" seinen Dienst. Worum es bei "ROBOLAB" geht: Immer mehr Pharma-Unternehmen verschreiben sich dem High Throughput Drug Screening. Dabei werden ganze Wirkstoff-Bibliotheken mittels verschiedener Tests auf mögliche Einsatzgebiete als Arzneimittel getestet.

Doch die erforderlichen Millionen Tests können nicht mehr per Hand durchgeführt werden. Automatisation samt 24-Stunden-Betrieb muß her. Die alten Eprouvetten haben damit längst ausgedient. Madl: "Die Proben kommen derzeit auf Standardplatten mit 96 Vertiefungen (mit gegenüber Eprouvetten minimalem Inhalt, Anm.). Doch auf neuen Platten kann man schon je 384 Proben bearbeiten." – Die nächste Generation der Mikrotiter-Platten wird gar schon 1 536 Vertiefungen aufweisen.

Mit dem aus Wien stammenden "ROBOLAB" können derzeit schon pro Tag 100 000 Proben bearbeitet werden. Das bedeutet, daß die etwa 13 mal 8,5 Zentimeter großen Mikrotiter-Platten mit den verschiedenen Substanzen befüllt, Reagenzien zugefügt, in Inkubatoren (z.B. für Zellkulturen) gesteckt und die Platten schließlich in verschiedene Testgeräte eingeführt werden müssen. Die Reaktionen auf den Platten müssen schließlich von verschiedenen Meßgeräten registriert werden.

Das alles macht der Roboter: Auf einer zwei bis sechs Meter langen Schiene "wieselt" er nach dem eingegebenen Programm zwischen Kühl- und Brutschränken, Untersuchungsgeräten, Pipettiermaschinen und vielen anderen Modulen hin und her und führt die Untersuchungen durch. Die Schnelligkeit des um die 40 Zentimeter großen "Zauberlehrlings": drei Meter pro Sekunde.

Doch das allein macht es nicht aus. Madl: "Für die Zuverlässigkeit ist vor allem auch die genaue Kontrolle der Bewegungen von Roboterarm und Greifer entscheidend." Das erfolgt mit einer Präzision von 0,1 Millimetern.

Der kleine "Knickarm-Roboter", der auf seiner Leitschiene hin und her gleitet, ist freilich nur das zentrale Arbeitsgerät eines völlig automatisierten Labors: Auf beiden Seiten der Schiene werden die Aufbewahrungs- und Untersuchungsstationen positioniert. Es lassen sich die Geräte praktisch aller großen Hersteller integrieren und von dem Roboter beschicken. Die Voraussetzung: Die Tests bzw. die Geräte müssen für die Automatisierung geeignet sein.

Darüber hinaus gibt es auch hier Eigenentwicklungen. Da ist zum Beispiel ein Aufbewahrungssystem für Mikrotiterplatten mit der dichtesten Speicherkapazität. In dem Kubus können in jede der vier Seiten je 54 Platten eingeschoben werden, insgesamt also 216.

Doch entscheidend für den laufenden Betrieb ist die Zuverlässigkeit. Madl: "Man hat ja nichts davon, wenn der Roboter mitten in der Nacht allein arbeitet und sich dann 'aufhängt'. Von Glaxo haben wir beispielsweise gehört, daß sie unsere Anlage 18 Tage lang ununterbrochen bis zum nächsten Service-Stop (Auffüllen, neue Proben, neue Reagenzien, Umstellen der Versuchsanordnung etc.) laufen ließen."

Das hat seinen Preis: Ein ROBOLAB kostet zwischen fünf und zehn Millionen Schilling (700 000 bis 1,4 Millionen DM). Das Geschäft verbreitert sich – von den großen Pharmakonzernen angefangen – zunehmend: Aus den Niederlanden liegt Interesse an Anlagen zur Durchführung von Tests an Milch- und Blutproben aus der Landwirtschaft vor. Dort sind schon zwei Anlagen installiert und arbeiten.

Gleichzeitig beginnen kleinere Forschungsunternehmen aus der Biotechnologie- und Pharma-Branche, Teststraßen mit spezifischen Labors für große Konzerne aufzubauen. Auch für Blutbanken könnten solche Anlagen interessant sein.

Das Um und Auf ist aber das Expertenwissen aus dem Labor. Madl: "Um die Forschungsprogramme der Kunden automatisieren zu können, ist es notwendig, die biologischen Aspekte genau zu verstehen." Viele "Kochbücher" der Laborarbeit stammen nämlich noch aus der Zeit der händischen Abwicklung der Tests.

Wenn wenn da nämlich in dem international respektierten "Rezept" drinsteht, daß eine Probe zwölf Stunden im Kühlschrank gelagert werden soll, stellt sich bei der Anpassung an das Roboter-Labor folgende Frage: "Ist das wegen der fehlenden (menschlichen) Nachtschicht an Labormitarbeitern so festgelegt oder weil aus dem Test sonst nichts herauskommt?"

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