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News: Manchmal lag's am Zucker

Hohe Zuckerkonzentrationen können Embryozellen töten, noch bevor sie sich in der Gebärmutter eingenistet haben. Dies ergab eine neue Studie, die helfen könnte, die höhere Rate von Fehlgeburten und mißgebildeten Babys bei Frauen mit Diabetes zu erklären. Demnach sollten Diabetikerinnen, die versuchen schwanger zu werden, besonders sorgfältig ihre Blutzuckerwerte kontrollieren.
Kelle H. Moley, Ärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Washington University School of Medicine in St. Louis ist Spezialistin für Reproduktionsmedizin. In Nature Medicine vom Dezember 1998 warnt sie: "Viele Diabetikerinnen glauben, sie müßten erst zum Arzt gehen, wenn sie bereits schwanger sind. Aber dann kann es bereits zu spät sein, und der Embryo ist bereits nachhaltig geschädigt." Deshalb sei es für diese Frauen äußerst wichtig, den Arzt zu informieren, daß sie schwanger werden wollen. Dann können ab diesem Zeitpunkt alle Werte streng kontrolliert werden.

Diabetikerinnen bekommen mit einem Risiko, das bis zu achtmal größer ist als bei anderen Frauen, mißgestaltete Babys. Und sogar wenn ihre Blutzuckerwerte ständig überwacht werden, kommt es zu zwei- bis dreimal so hohen Mißbildungsraten während der Organbildung des Babys. "Deshalb kam ich auf die Idee, daß ein hoher Glucosewert die Embryozellen in ziemlich frühem Stadium abtötet – noch bevor die Frau bemerkt hat, daß sie schwanger ist", sagt Moley. Wenn dieser Zelltod schlimm genug war, könne das zu einer Fehlgeburt führen. Wenn nur einige der Zellen absterben, könne das der Auslöser für spätere Mißbildungen sein, wie zum Beispiel Herzfehler und Neuralrohrdefekte. Aus dem Neuralrohr entwickelt sich das Zentrale Nervensystem, aus dem dann Gehirn und Rückenmark gebildet werden.

Die National Institutes of Health erlauben keine Forschung an menschlichen Embryonen, deshalb testete Moley ihre Idee an Mäusen, deren Embryonalentwicklung ähnlich der menschlichen verläuft. Sie verwendete Blastozysten in der Präimplantationsphase – das heißt bevor die befruchtete Eizelle sich im Uterus einnistet – und suchte nach Anzeichen des programmierten Zelltodes, der Apoptose.

Zunächst bestimmte sie die Konzentration eines speziellen Proteins, des Bcl-associated X protein (Bax), von dem bekannt ist, daß es ein Auslöser für Apoptose ist. Dabei stellte sie fest, daß die Bax-Werte in Blastozysten diabetischer Mäuse oder in Blastozysten, die sie in hohen Glucosekonzentrationen als Zellkultur angelegt hatte, fünf- bis zehnmal höher waren als bei nicht diabetischen Mäusen. Verabreichte man aber den diabeteskranken Mäusen kurz bevor sie schwanger wurden Insulin, wiesen ihre Blastozysten normale Bax-Werte auf. "Es schien also sowohl bei den in Kultur gezüchteten Blastozysten als auch bei den Mäuse-Blastozysten eine Verbindung zwischen den hohen Glucosewerten und Apoptose zu geben", sagt Moley.

Sie schlußfolgerte, daß Embryos ohne Bax von den schädlichen Effekten der Glucose verschont bleiben müßten. Und weil männliche Mäuse, denen beide Bax-Gene fehlen, unfruchtbar sind, paarte sie Männchen, die eine Kopie dieses Gens hatten, mit Weibchen denen beide Kopien fehlten. Die Hälfte der Embryonen war, wie erwartet, resistent gegen Glucose-induzierte Apoptose.

Auf der Suche nach anderen Hinweisen auf Apoptose, suchte Moley auch nach Anzeichen einer DNA-Fragmentierungen, denn kurz vor ihrem Zelltod zerschneiden die Zellen noch ihre DNA. In normalen Embryos oder solchen mit zu geringem Bax-Anteil, sind nur etwa zehn Prozent der DNA bruchstückhaft. Aber die der Glucose ausgesetzten Blastozysten hatten ungefähr die Hälfte ihrer DNA fragmentiert. Moley untersuchte auch ein anderes Anzeichen für Zelltod: Ceramid. Dieses Lipid schien beim Glucoseeffekt eine Rolle zu spielen, ebenso wie Caspase I, ein Enzym, das Proteine zerschneidet.

"Diese Studie ist eine der ersten, die darauf schließen läßt, daß Apoptose in der Präimplantationsphase für die späteren Probleme in der embryonalen Entwicklung verantwortlich sein könnte", sagt Moley, deren Erkenntnisse auch für nicht diabeteskranke Frauen bedeutsam sein könnten. "Selbst wenn wir keine insulinabhängigen Diabetikerinnen sind, haben viele von uns Blutzuckerschwankungen. Und eine Schwangerschaft verursacht erst recht eine große Kohlenhydratumstellung, schon von Anfang an. Vielleicht können bereits kleine Veränderungen des Metabolismus während der frühen kritischen Zeit der Entwicklung des Embryos ernsthafte Auswirkungen auf den Verlauf der Schwangerschaft haben. Deshalb sollten Sie, wenn Sie demnächst schwanger werden wollen, lieber um süßes Naschwerk und gesüßte Getränke einen großen Bogen machen."

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