Direkt zum Inhalt

News: Poren bohren

Die Nanotechnologie hat schon so manche faszinierende neue Struktur geschaffen. Nur mit Löchern tat sie sich bisher schwer: Sie waren einfach einige Nummern zu groß. Mit einem Ionenstrahl als Bohrer gelang es Wissenschaftlern nun jedoch, eine Pore mit nur wenigen Nanometern Durchmesser herzustellen. Und zwar nicht, indem sie ein winziges Loch erzeugten, sondern sie verfüllten ein großes Loch im Nachhinein, bis es die gewünschte Weite erreicht hatte.
Schalter, Drähte, Röhren, Kugeln – der Baukasten der Nanotechnologie wächst. Bei mancher Anwendung jedoch würden Wissenschaftler gern Poren einsetzen, winzige Löcher, die sie so dimensionieren, dass nur bestimmte Objekte hindurch passen, wie beispielsweise einzelne Moleküle.

Jede Zelle besitzt solche selektiven Ein- und Ausgänge. Wissenschaftlern gelang es bisher jedoch nicht, derart feine Durchlässe selbst herzustellen. Denn die gängigen "Bohrer", in der Regel Ionenstrahlen, gehen deutlich grober zu Werke. Und Selbstorganisation von Materialien liefert zwar winzige Löcher, doch waren diese immer noch eine Größenordnung zu weit. Nur das Einfügen von kanalbildenden Peptiden in eine Lipid-Membran lieferte zufriedenstellende Ergebnisse. Doch sind diese für viele Aufgaben nicht geeignet: Sie sind nicht fest genug.

Auch Wissenschaftler um Jene Golovchenko von der Harvard University betätigten sich als Miniatur-Handwerker: Mit einem energiearmen Argon-Ionenstrahl beschossen sie eine kleine Scheibe Siliciumnitrid. Doch zunächst waren sie ganz und gar nicht erfolgreich: Sie konnten auf ihrer Platte noch nicht einmal ansatzweise Löcher entdecken.

Mit weiteren Experimenten und theoretischen Überlegungen versuchten sie, der Sache auf den Grund zu gehen. Dabei stellten sie überrascht fest, dass der Ionenstrahl nicht nur Löcher frisst, sondern offenbar auch Atome in Bewegung setzt, die entlang der Oberfläche diffundieren und – eventuell durch Kapillarkräfte – in den Hohlraum gesogen werden. So kann sich ein gerade frisch gebohrtes Loch wieder schließen. Welcher der beiden Prozesse überwiegt, hängt von der Temperatur und der Intensität des Strahls ab.

Das stellt den Herstellungsprozess auf den Kopf: Der erste Schritt ist ein zu großes Loch. Dann werden die Intensität des Ionenstrahls und die Temperatur so eingestellt, dass der Selbstheilungseffekt überwiegt. Die Anzahl der Ionen, die noch durch das Loch fliegen, zeigt den momentanen Durchmesser der Pore an – und so kann der Strahl einfach abgestellt werden, wenn die gewünschte Weite erreicht ist.

Mit diesem Verfahren bohrten Golovchenko und seine Mitarbeiter nun erfolgreich eine fünf Nanometer große Pore in ihre Siliciumnitrid-Membran. Anschließend demonstrierten sie deren Eignung als Moleküldetektor: Sie setzten sie als Trennscheibe zwischen zwei Becken mit Salzlösung und legten eine geringe Spannung an, wodurch erwartungsgemäß ein kleiner Strom von zwei Nanoampere floss. Fügten sie jedoch DNA zu, war der Strom vorübergehend unterbrochen, da die negativ geladenen Moleküle auf ihrem Weg zur positiv geladenen Elektrode in dem anderen Becken das Loch offenbar zeitweise verstopften. Solche Moleküldetektoren werden zwar schon aus organischen Materialien gefertigt, doch Siliciumnitrid ist mechanisch und chemisch stabiler.

Diese Form von "Ionenstrahl-Bildhauerei", wie das Team um Golovchenko ihre Methode nennen, ist aber nicht nur zum Löcher bohren geeignet. Die Forscher vermuten, dass man damit auch feine Schlitze oder Furchen erzeugen kann, und das nicht nur in Siliciumnitrid, sondern auch in Aluminium, Silicium und Siliciumoxid. Demnach wird es wohl bald wieder reichen Zuwachs im Baukasten geben.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen
Nature 412: 166–169 (2001)
Nature 412: 135–136 (2001)

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.