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News: Salamitaktik

Die Entzifferung einzelner DNA-Sequenzen ist immer noch ein mühsehliges Geschäft. Jetzt entwickelten zwei deutsche Wissenschaftlerinnen ein Verfahren zur Einzelmolekül-Sequenzierung, mit dem das Erbgut schneller untersucht werden kann.
Die Sequenz des menschlichen Genoms ist weitgehend bekannt. Nahezu unbekannt bleiben jedoch die Zusammenhänge zwischen einzelnen Genomabschnitten und vielen Krankheiten; dazu müssen die entsprechenden Gensequenzen identifiziert, charakterisiert und auf Mutationen untersucht werden. "Mit herkömmlichen Sequenziermethoden ist das viel zu langwierig," erklärt Susanne Brakmann von der Universität Leipzig. "Wenn es dagegen gelänge, einzelne DNA-Moleküle zu sequenzieren, ließen sich wesentlich längere Fragmente 'ablesen' und die Sequenzinformationen um Größenordnungen schneller zusammensetzen." Gemeinsam mit Sylvia Löbermann vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen ist sie hierbei nun einen weiteren Schritt vorangekommen.

Die beiden Wissenschaftlerinnen trennten hierzu die komplementären Stränge der DNA-Doppelhelix und nutzten einen der Einzelstränge als Matrize für die Anfertigung einer Kopie – mit Nucleobasen, die mit verschiedenen Fluoreszenzfarbstoffen markiert wurden. Erst kürzlich war es den Forscherinnen gelungen, ein Enzym zu finden, das auch aus sperrigen, markierten Nucleobasen korrekte Kopien synthetisiert. An winzige Kunststoffkügelchen gekoppelt ließen sich die so markierten DNA-Moleküle vereinzeln.

Im nächsten Schritt musste der DNA nach dem Salamiprinzip vom Ende her eine Nucleobase nach der anderen abgeschnitten und identifiziert werden. Bereits seit zehn Jahren gibt es spektrometrische Verfahren, mit denen einzelne fluoreszierende Moleküle identifiziert werden können. Eine Hürde dagegen war bis vor kurzem, ein "Salamimesser" zu finden – ein Enzym, das die fluoreszierenden Nucleobasen wieder freisetzt. Denn die markierte DNA erweist sich als sehr sperrig und windet sich auch anders als das unmarkierte Original.

Alle getesteten "Salamimesser", sprich Exonucleasen, scheiterten zunächst. Statt weitere "Messer" zu testen, variierten die Forscherinnen die Schneidbedingungen: Durch Zugabe des Lösemittels Dioxan konnten sie die Löslichkeit der DNA erhöhen und den Schneidemodus des gewählten Enzyms, E.-coli-Exonuclease III, verbessern. Markierten sie außerdem nur zwei der vier Nucleobasensorten, zeigte sich die DNA weniger sperrig.

Eine vollständige Sequenzanalyse könnte nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen gelingen, wenn das Experiment mit allen möglichen Permutationen wiederholt wird. "Die Grundlagen für die Einzelmolekül-Sequenzierung sind damit gelegt," zeigt sich Brakmann optimistisch. "Vollautomatische Geräte könnten einzelne Abweichungen in Genabschnitten feststellen und eventuell sogar bis zu eine Million Nucleobasen pro Tag entschlüsseln."

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