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News: Selbstvertrauen steigert die Leistung beim Bewegungslernen

Verfolgt man die Interviews, die im Rahmen der Sportberichterstattung mit Trainern und Athleten geführt werden, fällt auf, dass einem Kognitionstyp eine grosse Bedeutung beigemessen wird, der alltagssprachlich am besten mit dem Begriff des Selbstvertrauens beschrieben werden kann. Im Sinne einer 'subjektiven Theorie' werden Misserfolge häufig auf mangelndes Selbstvertrauen und Erfolge auf ein stark ausgeprägtes Selbstvertrauen zurückgeführt. Umgekehrt berichten Sportler auch, dass ihr Selbstvertrauen infolge einer Niederlagenserie oder einer längeren Verletzungspause reduziert ist, und dass gute Leistungen eine Stärkung des 'Sich-Selbst-Vertrauens' nach sich ziehen. Eine Untersuchung der Universität Göttingen zeigt zumindest: Eine moderate Selbstüberschätzung hilft auch beim Sport eher, als das sie schadet - zumindest was das Lernen von Bewegungsabläufen betrifft.
Im angloamerikanischen Sprachraum werden diese Zusammenhänge weitaus intensiver untersucht als in der deutschsprachigen Sportpsychologie. Als theoretische Bezugsgrundlage dient dabei zumeist die Theorie der Selbstwirksamkeit von Albert Bandura (self-efficacy theory). Im Mittelpunkt dieser Theorie stehen die Auswirkungen selbstbezogener Kognitionen, sogenannter Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (self-efficacy beliefs), die dem, was alltagssprachlich als Selbstvertrauen bezeichnet wird, sehr nahe kommen. In zahlreichen Studien hat sich gezeigt, dass die Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit tatsächlich einen positiven Effekt auf die sportliche Leistung hat.

Im Rahmen eines Dissertationsvorhabens an der Universität Göttingen wurde nun der Frage nachgegangen, ob bzw. in welchem Umfang solche Selbstwirksamkeitsüberzeugungen auch das Erlernen neuartiger Bewegungsfertigkeiten beeinflussen. Die Gültigkeit der in Leistungskontexten gewonnenen Befunde für das Bewegungslernen ist nicht selbstverständlich oder gar trivial: Bandura hält im Zusammenhang mit Lernprozessen nicht eine maximale, sondern eine optimale Ausprägung der persönlichen Wirksamkeitsüberzeugung für günstig. (Zu) hohe Selbstwirksamkeit würde die Bereitschaft, Anstrengung in das Üben zu investieren, reduzieren.

Es wurden zwei Einzelstudien durchgeführt, die sich hinsichtlich ihrer Validitätsausrichtung voneinander unterschieden (horizontale Variante der Strategie multipler Aufgaben).
– In einer "Labor"-Studie lernten die Teilnehmer das Pedalofahren unter weitgehend standardisierten Bedingungen; es fand zudem ein Gruppentreatment statt (positive vs. negative Leistungsrückmeldungen).
– In einer Feldstudie übten Hochschulsportler Techniken des Inline-Skatens dagegen unter den hierbei üblichen Rahmenbedingungen (Gruppenunterricht, unsystematische Leistungsrückmeldungen usw.).

In beiden Studien konnten Effekte der Selbstwirksamkeitsüberzeugung auf die Leistung beim Bewegungslernen gefunden werden:
– In der "Labor"-Studie wiesen Teilnehmer mit starker Selbstwirksamkeitsüberzeugung eine höhere Anstrengungsbereitschaft auf und zeigten bessere Lernleistungen als Teilnehmer mit schwacher Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Dies war insbesondere dann der Fall, wenn der Lernprozess unter schwierigen Bedingungen (hier: negative Leistungsrückmeldungen) stattfand.
– In der Feldstudie war ein synchroner Anstieg von Selbstwirksamkeitsüberzeugung und Lernleistung zu beobachten. Eine Pfadanalyse ergab, dass sich Selbstwirksamkeitsüberzeugung und Lernleistung gegenseitig verstärkten. Sie zeigte aber auch, dass beide Variablen sich am besten autoregressiv, d.h. durch ihre Ausprägung zum jeweils vorausgegangenen Messzeitpunkt, erklärten.
– Schließlich wurde in beiden Studien deutlich, dass Selbstwirksamkeitsüberzeugungen den Lernprozeß "multi-dimensional" beeinflussen: so wurden beispielsweise die eigenen Lernleistungen bei starker Selbstwirksamkeitsüberzeugung selbstwertdienlich interpretiert und der Lernprozeß wurde in emotionaler Hinsicht als weniger belastend empfunden. Pfadanalysen wiesen auch hier zum Teil auf reziproke Beziehungsmuster hin.

Diese Ergebnisse widersprechen der o.g. Annahme Banduras, nach der (zu) hohe Selbstwirksam in Lernkontexten eher demotivierend wirken soll. Insgesamt scheint das Selbstvertrauen auch beim Bewegungslernen eine bedeutsame Rolle zu spielen. Die erheblich stärkere Erklärungskraft der vorausgegangenen Lernleistungen verweist allerdings darauf, dass letztlich doch die tatsächliche (und nicht die wahrgenommene) Kompetenz entscheidend ist. Wie realitätsangemessen müssen Selbsteinschätzungen also sein? In einer Untersuchung von 1992 wurde die günstigste Leistungsentwicklung (Mathematik) bei einer Schülergruppe gefunden, die durch eine moderate Selbstüberschätzung charakterisiert war.

Insofern können Selbstüberschätzungen der eigenen Kompetenzen durchaus als ein nützliches und sogar produktives Phänomen angesehen werden. In jedem Fall sollten die hier vorgestellten Befunde Anlaß genug sein, das eigene Lehrverhalten und die verwendeten Prozeduren dahingehend zu hinterfragen, welche Auswirkungen sie auf das Selbstvertrauen der Schüler haben.

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