Wissenschaft im Alltag: Sieden, Cracken, Veredeln
Damit aus Erdöl Sprit oder Plastik wird, muss das schwarze Gold erst einmal verdampfen.
Nur von wenigen Ressourcen ist die Menschheit so abhängig wie
vom Erdöl, das sich durch Druck und Hitze über Jahrmillionen
aus dem Plankton urzeitlicher Meere gebildet hat. Es ist ein Stoffgemisch
aus mehreren hundert Komponenten, hauptsächlich Kohlenwasserstoffverbindungen.
Und genau diese machen Erdöl so wertvoll, als Rohstoff für die chemische Industrie, als Treibstoff für
Verbrennungsmotoren.
Benötigt werden vor allem kurze Verbindungen: Aus Ketten mit drei bis vier Kohlenstoffatomen wie Propan und Butan synthetisiert man Kunststoffe, fünf bis elf ergeben Benzin (je komplexer das Molekül, desto stärker lässt es sich bis zur spontanen Zündung verdichten, was den Motorwirkungsgrad verbessert); aus noch längeren Ketten bestehen Diesel, Heizöl, Schmierstoffe und der für den Straßenbau benötigte Asphalt. Weil diese Moleküle bei unterschiedlichen Temperaturen verdampfen, lassen sie sich aus dem Rohöl durch Destillation gewinnen – je kürzer die Ketten, desto niedriger liegt ihr Siedepunkt. Bei Atmosphärendruck sind Propan und Butan bereits bei Raumtemperatur gasförmig, die Rohstoffe für Benzin verdampfen zwischen 35 und 210 Grad Celsius, die für Schmieröle erfordern 400 Grad Celsius.
Das Rohöl wird deshalb nach dem Entsalzen – das vermeidet
Korrosion in der Anlage – in einem Röhrenofen bei 350 Grad Celsius
teilweise verdampft und das Gemisch aus Gas und Flüssigkeit
dann in eine bis zu 50 Meter hohe Destillationskolonne geleitet,
den Fraktionierturm. Darin herrscht normaler Atmosphärendruck
und ein konstanter Temperaturgradient von etwa 400 Grad Celsius
unten bis 20 Grad oben. Die Kohlenwasserstoffe steigen auf, bis sie
in einen Temperaturbereich kommen, der unterhalb ihres jeweiligen
Siedepunkts liegt. Dort kondensieren sie und sammeln sich
auf Destillationsböden (noch gasförmige Fraktionen strömen durch
Löcher in diesen Böden weiter nach oben), Rohrleitungen führen
sie der Weiterverarbeitung zu. Am Boden des Destillationsturms
sammeln sich schwere Moleküle aus mindestens 20 Kohlenstoffatomen.
Sie können bei Atmosphärendruck nicht destilliert werden,
weil sie ab 330 Grad Celsius zerbrechen würden. Der Trick: Ein
Vakuum von 50 Millibar Luftdruck senkt den Siedepunkt um
100 Grad.
Welche Produkte in welcher Menge anfallen, hängt von der Zusammensetzung des Rohöls ab. Weil der Bedarf an kurzkettigen Molekülen aber größer ist, werden längere in einem weiteren Verfahrensschritt aufgebrochen (englisch:crack). Das geschieht beim thermischen Cracken durch Druck und kurzzeitige Erhitzung auf etwa 500 Grad Celsius. Wird zudem ein Katalysator verwendet, verbessert sich die Umsetzungsrate. Stets aber resultieren verschieden schwere Fraktionen, die durch Destillation voneinander zu trennen und weiterzuverarbeiten sind.
Die Produkte enthalten noch einige zehntel bis einige Prozent Schwefel, der in so genannten Claus-Anlagen entfernt werden muss, um bei der Verbrennung giftige beziehungsweise umweltschädliche Schwefelverbindungen zu vermeiden. In Deutschland darf Benzin seit 2003 maximal zehn Schwefelatome pro eine Million Kohlenstoffketten enthalten.
Obwohl mehr als 90 Prozent der Grundsubstanzen der chemischen Industrie aus Erdöl oder Erdgas gewonnen werden, gehen doch weniger als zehn Prozent der weltweit geförderten Erdölmenge diesen Weg. Der größte Teil wird zu Kraftstoffen. Doch das Rohbenzin, das nach den Schritten Cracken und Entschwefeln resultiert, wäre noch nicht für einen Motor geeignet – bei der Verdichtung würde sich das Benzin-Gas-Gemisch unkontrolliert entzündet (Klopfen).
Zur "Veredelung" setzt ein Reformer kurze, lineare Ketten des Rohbenzins in solche mit verzweigten oder ringförmigen Strukturen um. Auch diese Modifikation erfolgt mit Hilfe von Katalysatoren, meist Platin, bei etwa 500 Grad Celsius und einem bis fünf Megapascal Druck, also dem 10- bis 50-Fachen des Atmosphärendrucks. Bei der Reformierung entstehen überdies Ausgangsstoffe für die Herstellung von Aromaten wie Benzol und Toluol, die als Lösungsmittel und Zwischenprodukte in der chemischen Industrie eine wichtige Rolle spielen.
Wussten Sie schon?
Als in den 1850er Jahren Walöl für Lampen knapp wurde,
verarbeitete man natürlich zu Tage tretendes Erdöl zu Petroleum.
Gezielte Bohrungen verliefen zunächst erfolglos, etwa die
des deutschen Bodenkundlers Ludwig Meyn im damals zu Dänemark
gehörenden Dithmarschen. Mehr Glück hatte 1959 der
ehemalige Lokführer Edwin Drake, der im Auftrag eines Industriellen
nahe der Kleinstadt Titusville (US-Bundesstaat Pennsylvania)
nach Öl bohrte. Neben Petroleum wurde aus dem Rohöl
auch Paraffin für Kerzen hergestellt. Das leicht flüchtige Benzin
(amerikanisch: gasoline) galt als unerwünschtes Nebenprodukt
und wurde abgefackelt. Nach wie vor fördert Titusville geringe
Mengen Erdöl – und verkauft es in Flaschen an Touristen.
Wegen des Aufwands verdienen Raffineriebetreiber nach
eigenen Angaben nur wenige Cent an einem Liter, das entspricht
20 bis 25 Prozent der reinen Produktkosten (in Deutschland
sind das etwa 25 Prozent des Benzinpreises, 75 Prozent sind
Steuern). Investitionen in bestehende Anlagen oder der Bau
neuer wurde deshalb weltweit nur zögerlich angegangen, inzwischen
treiben Kapazitätsengpässe aber die Produktkosten in die
Höhe. Nun reagiert die Industrie: Für gut 2,6 Milliarden Euro
wurde zum Beispiel die Total Raffinerie Mitteldeutschland in
Leuna errichtet, 4,5 Milliarden Euro steckt ein Joint Venture von
Shell und Saudi Aramco bis 2010 in eine texanische Anlage.
Manche Rohölsorten enthalten gelöstes Propan und Butan,
das ganz oben aus dem Fraktionierungsturm ausströmt. Propan
lässt sich zu Polypropylen für Textilien, Nahrungsmittelverpackungen
und Automobilteile umwandeln. Aus Butan gewinnt
man Butadiene für synthetischen Gummi. Ethylen (C2H4) ist das
Ausgangsmaterial für Polyethylen in Plastikbechern und Verpackungen;
es wird bei niedrigem Druck und hoher Temperatur
in einem thermischen Cracker erzeugt.
Die Oktanzahl gibt an, wie leicht sich Benzin bei der Verdichtung
selbst entzünden kann (Klopffestigkeit). Es handelt
sich um eine Vergleichsgröße: Der Wert entspricht dem Anteil
von Isooktan zu n-Heptan in einem Gemisch gleicher Klopffestigkeit;
Ersteres ist sehr klopffest, Letzteres entzündet sich
schnell. Beispielsweise hat Superbenzin mit einer Oktanzahl
von 95 die gleiche Klopffestigkeit wie ein Treibstoff, in dem sich
95 Volumenprozent Isooktan und 5 Prozent n-Heptan befinden.
Benötigt werden vor allem kurze Verbindungen: Aus Ketten mit drei bis vier Kohlenstoffatomen wie Propan und Butan synthetisiert man Kunststoffe, fünf bis elf ergeben Benzin (je komplexer das Molekül, desto stärker lässt es sich bis zur spontanen Zündung verdichten, was den Motorwirkungsgrad verbessert); aus noch längeren Ketten bestehen Diesel, Heizöl, Schmierstoffe und der für den Straßenbau benötigte Asphalt. Weil diese Moleküle bei unterschiedlichen Temperaturen verdampfen, lassen sie sich aus dem Rohöl durch Destillation gewinnen – je kürzer die Ketten, desto niedriger liegt ihr Siedepunkt. Bei Atmosphärendruck sind Propan und Butan bereits bei Raumtemperatur gasförmig, die Rohstoffe für Benzin verdampfen zwischen 35 und 210 Grad Celsius, die für Schmieröle erfordern 400 Grad Celsius.
Welche Produkte in welcher Menge anfallen, hängt von der Zusammensetzung des Rohöls ab. Weil der Bedarf an kurzkettigen Molekülen aber größer ist, werden längere in einem weiteren Verfahrensschritt aufgebrochen (englisch:crack). Das geschieht beim thermischen Cracken durch Druck und kurzzeitige Erhitzung auf etwa 500 Grad Celsius. Wird zudem ein Katalysator verwendet, verbessert sich die Umsetzungsrate. Stets aber resultieren verschieden schwere Fraktionen, die durch Destillation voneinander zu trennen und weiterzuverarbeiten sind.
Die Produkte enthalten noch einige zehntel bis einige Prozent Schwefel, der in so genannten Claus-Anlagen entfernt werden muss, um bei der Verbrennung giftige beziehungsweise umweltschädliche Schwefelverbindungen zu vermeiden. In Deutschland darf Benzin seit 2003 maximal zehn Schwefelatome pro eine Million Kohlenstoffketten enthalten.
Obwohl mehr als 90 Prozent der Grundsubstanzen der chemischen Industrie aus Erdöl oder Erdgas gewonnen werden, gehen doch weniger als zehn Prozent der weltweit geförderten Erdölmenge diesen Weg. Der größte Teil wird zu Kraftstoffen. Doch das Rohbenzin, das nach den Schritten Cracken und Entschwefeln resultiert, wäre noch nicht für einen Motor geeignet – bei der Verdichtung würde sich das Benzin-Gas-Gemisch unkontrolliert entzündet (Klopfen).
Zur "Veredelung" setzt ein Reformer kurze, lineare Ketten des Rohbenzins in solche mit verzweigten oder ringförmigen Strukturen um. Auch diese Modifikation erfolgt mit Hilfe von Katalysatoren, meist Platin, bei etwa 500 Grad Celsius und einem bis fünf Megapascal Druck, also dem 10- bis 50-Fachen des Atmosphärendrucks. Bei der Reformierung entstehen überdies Ausgangsstoffe für die Herstellung von Aromaten wie Benzol und Toluol, die als Lösungsmittel und Zwischenprodukte in der chemischen Industrie eine wichtige Rolle spielen.
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