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Materialwissenschaft: Supraleitung durch Schockfrieren

Manche Materialien unterdrücken das Auftreten des besonderen Festkörperphänomens. Japanische Forscher haben einen dieser Stoffe nun wider Willen in den zauberhaften Zustand versetzt.
Supraleitung (Symbolbild)

Für gewöhnlich fängt der Zauber an, wenn es bitterkalt wird: Kühlt man bestimmte Materialien auf viele dutzende oder gar hunderte Grad unter null, leiten sie Strom ohne elektrischen Widerstand. Bestimmte Metalle weigern sich aber beharrlich gegen diese Supraleitung. Senkt man ihre Temperatur auf einen Wert, bei dem sie supraleitend werden könnten, nehmen die Elektronen in ihrem Inneren lieber Energieniveaus ein, die das besondere Phänomen unterdrücken.

Ein Team um Hiroshi Oike vom RIKEN Center for Emergent Matter Science in Japan hat einen dieser Stoffe nun wider Willen in einen supraleitenden Zustand versetzt, wie die Forscher im Fachmagazin »Science Advances« berichten: Sie kühlten eine Probe aus Iridium und Tellur (IrTe2) mit einer besonderen Technik extrem schnell ab. Dadurch ließ die Übergangsmetalllegierung die energetisch etwas günstigere, nicht supraleitende Elektronenkonfiguration gewissermaßen links liegen und wechselte direkt in den besonderen Materiezustand. Insgesamt habe die minus 269 Grad kalte Probe danach etwa eine Woche lang widerstandslos Strom geleitet, berichten die Forscher.

In Festkörpern kommt es immer dann zur Supraleitung, wenn Elektronen gerade im richtigen Maß miteinander wechselwirken. Dann können sie sich zu Paaren zusammenfügen, die beim Weg durch das Atomgitter allen Hindernissen elegant ausweichen und auf diese Weise mühelos vorankommen. Dazu dürfen sich die Elektronen aber nicht einfach brav im Umfeld ihrer jeweiligen Atomkerne aufhalten oder kollektiv andere Zustände einnehmen, die die Supraleitung unterdrücken.

Aber genau das tun sie, wenn man Stoffe wie IrTe2 langsam abkühlt. Die Elektronen finden sich dann vermehrt in nicht supraleitenden Keimzellen zusammen, die schließlich den gesamten Festkörper erfassen. Durch extrem schnelles Abkühlen lässt sich das jedoch bei manchen Stoffen vermeiden, wie die Gruppe um Oike nun gezeigt hat: Die Forscher setzten ihre Probe zunächst einem kurzen Strompuls auf, der das Material auf 27 Grad Celsius erwärmte. Da der Aufbau mit einem minus 269 Grad kalten Segment verbunden war, kühlte das IrTe2 anschließend binnen einiger Millionstel Sekunden auf diese Temperatur ab.

Dadurch hatte der Körper keine Zeit, Keimzellen auszubilden, und schickte seine Elektronen stattdessen in den energetisch leicht ungünstigeren, supraleitenden Zustand. Das Verfahren ähnelt einer Technik aus der Metallurgie, bei dem flüssige Metalle in kaltes Wasser geworfen werden, wodurch ihr Atomgitter in einer besonders stabilen Konfiguration erstarrt. Vielleicht könnte das Festkörperphysik-Analogon künftig dabei helfen, die Vorgänge in Supraleitern besser als bisher zu verstehen, mutmaßen die japanischen Forscher.

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