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Ereigniszellen: Wie das Gehirn Altes in Neuem findet

Erst isst man Suppe, dann eine Hauptspeise und dann Dessert: Forscher haben Zellen entdeckt, die gewohnte Abläufe finden, selbst wenn alles andere fremd ist.
In einem Sushi-Restaurant

Der Ablauf eines Restaurantbesuchs ist immer sehr ähnlich: Man nimmt Platz, studiert die Karte, bestellt, isst. Wie das Gehirn einen Ablauf in wiederkehrende Einheiten zergliedert, lässt sich sogar auf der Ebene einzelner Neurone beobachten. Das zumindest wollen Forscher um Susumu Tonegawa vom Massachusetts Institute of Technology und Kollegen nun an Mäusen nachgewiesen haben. Sie entdeckten Zellen, die – um im Bild zu bleiben – auf »Dessert« spezialisiert sind und immer nur dann feuern, wenn das Dessert gerade ansteht.

Die Ergebnisse ihrer Studie an Mäusen publizierten sie jetzt im Journal »Nature Neuroscience«. Sie implantierten den Tieren dazu feine Elektroden im Hippocampus, einer Hirnregion, die an der Gedächtnisbildung maßgeblich beteiligt ist. Dann ließen sie die Tiere in einer kreisrunden Rennbahn vier Runden laufen und gaben ihnen nach der vierten Runde eine Belohnung. Im Gehirn der Tiere konnten sie nun Zellen ausfindig machen, die beispielsweise nur dann aktiv wurden, wenn das Tier in seiner ersten Runde war, oder auch solche, die aktiv wurden, sobald das Tier die vierte Runde absolviert hatte und die Belohnung erwartete.

Als sie die Tiere in eine rechteckige Laufbahn umsetzten und sie dort Runden laufen ließen, wurde dieselbe Gruppe von Zellen aktiv – und zwar wiederum gemäß ihrer ursprünglichen Spezialisierung: Diejenigen, die auf Runde eins spezialisiert waren, feuerten nach wie vor in Runde eins, egal ob die Laufstrecke rund oder rechteckig war. Damit scheinen diese Ereigniszellen (event cells) auf eher abstrakte Konzepte spezialisiert zu sein, wie eben »Runde 1« oder »Ende des Durchlaufs«.

Die Ereigniszellen befinden sich in derselben Hirnregion wie die so genannten Ortszellen, mit denen sich Mensch und Tier in der Umgebung orientieren. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede: Klassische Ortszellen sind auf eine ganz konkrete Stelle im Raum spezialisiert. Sie feuern immer nur dann, wenn das Tier an diese Stelle kommt.

Welche Informationen die Ereigniszellen verwenden, um zu erkennen, in welchem Abschnitt einer komplexen Abfolge sich der Organismus befindet, wissen die Wissenschaftler noch nicht. Es gelang ihnen lediglich, die Verarbeitung der Ereignisse zu unterbinden, indem sie mit optogenetischen Verfahren die Zellen einer weiteren Hirnregion, des medialen entorhinalen Kortex, lahmlegten.

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