Direkt zum Inhalt

Das merkwürdige Benehmen geschlechtsreifer Menschen

Wir leben nicht mehr in der Steinzeit; dennoch prägen hormonelle Einflüsse immer noch unser Verhalten, schreibt die Psychologin Martie Haselton.

Frauen legen an ihren fruchtbaren Tagen mehr Wert auf ihr Äußeres, gehen gern auf Partys und fliegen auf attraktive Männer. Das haben die wissenschaftlichen Studien von Martie Haselton ergeben. Die Professorin für Psychologie und Kom­munikation leitet das Forschungszentrum für Evolutionäre Psychologie an der University of California in Los Angeles. Für ihre Thesen erntet sie nicht nur Anerkennung, insbesondere von Feministinnen wird sie häufig angefeindet. Denn während manche meinen, dass jede biologische Erklärung für das Verhalten von Frauen deren klischeehafte Frauenrolle zementiert, ist die Autorin vom Gegenteil überzeugt: Frauen sind anders – und dazu sollten sie stehen, ist ihre Devise. Sie versteht sich als Vertreterin eines »darwinistischen Feminismus«, der biologische Grundlagen für unser Verhalten respektiert und erforscht.

Alpha-Männer und Versorger

Haselton geht grundsätzlich von einem evolutionsbiologischen Ansatz aus: Der Hormonzyklus der Frau beeinflusse ihr Verhalten, damit sich die Art bestmöglich vermehren könne. Dass der Mensch darin ziemlich erfolgreich ist, belegen die Bevölkerungszahlen. Doch im Vergleich zu anderen Tieren, die offen balzen und brunsten, läuft das Werben um einen Partner beim Menschen eher subtil ab. Den Grund sieht die Psychologin vor allem in der langen Nesthockerzeit von Menschenkindern, deren erfolgreiche Aufzucht mehr erfordert als nur das Säugen. Es sei deshalb nicht nur wichtig, »gute Gene« für gesunden Nachwuchs zu ergattern, sondern es ginge auch darum, einen Versorger zu finden. Um die Paarbindung dauerhaft zu stärken, setzen Menschen auf eine so genannte erweiterte Sexualität, die auch außerhalb der fruchtbaren Tage stattfindet.

Haselton verwendet viel Energie darauf, ihren Lesern nahezubringen, dass es auch beim Menschen einen nach außen hin wahrnehmbaren Östrus (die fruchtbaren Tage rund um den Eisprung) gibt. In ihren Experimenten hat sie beispielsweise Männer darum gebeten, getragene T-Shirts und Fotos von Teilnehmerinnen in verschiedenen Zyklusphasen zu bewerten. Tatsächlich fanden die Probanden Frauen und deren Geruch während der fruchtbaren Tage attraktiver. Umgekehrt bevorzugen Frauen in dieser Zeit so genannte Alpha-Männer mit symmetrischen Gesichtszügen, die den Eindruck hoher Fitness und entsprechend günstigen Erbanlagen vermitteln. Diese Verhaltenstendenz war außerhalb der fruchtbaren Tage nicht zu beobachten. Somit liefert Haselton eine Erklärung für den uralten Konflikt bei Frauen, sich zwischen »Mr. Sexy« (dem Alpha-Mann) und »Mr. Nice« (dem Versorger) zu entscheiden, und führt ihn auf die Hormone LH (luteinisierndes Hormon), Östrogen und Progesteron zurück. Die Autorin formuliert das so: Frauen sichern sich durch die erweiterte Sexualität den Mann, der sich um das Nest kümmert, doch der Östrus-Instinkt zieht sie zum attraktiven Mistkerl hin.

Wir leben zwar schon lange nicht mehr in der Steinzeit, und eine Mutter kann heute ein Kind allein groß ziehen. Trotzdem prägen hormonelle Einflüsse immer noch unser Verhalten. Natürlich geht auch Haselton davon aus, dass Menschen auf Grund ihres Verstands nicht komplett hormongesteuert sind. Sie ist aber davon überzeugt, dass wir umso bewusster entscheiden können, je mehr wir darüber wissen, wie Hormone das Verhalten beeinflussen. Wer erkenne, dass das zeitweise Verlangen nach dem »Bad Guy« wieder vorübergehe, könne das bei seinen Entscheidungen berücksichtigen.

Das Buch ist kurzweilig, leicht zu lesen und zeichnet sich durch ein ausführliches Quellenverzeichnis aus. Die Autorin möchte vor allem darauf hinwirken, dass der Begriff »hormongesteuert« nicht mehr ausschließlich negativ behaftet ist. Dabei bleibt sie bei ihren Interpretationen allerdings etwas einseitig, indem sie als einzige Triebfeder menschlichen Verhaltens die Fortpflanzung und Arterhaltung im Blick hat. Das Werk richtet sich zwar primär an Frauen, doch auch für Männer kann es durchaus aufschlussreich sein, sofern sie der rosafarbene Umschlag nicht abschreckt.

Kennen Sie schon …

Spektrum der Wissenschaft – Vögel - Gefiederte Vielfalt

Die kognitiven Fähigkeiten von Vögeln erstaunen selbst Fachleute immer wieder. Wie schaffen es Vögel, trotz ihres winzigen Gehirns, Werkzeuge zu benutzen oder sich im Spiegel zu erkennen? Wie kam es zum Gesang der Vögel und was verbirgt sich dahinter? Wie kommt es zu den vielfältigen Farben und Mustern des Federkleids? Studien zur Embryonalentwicklung zeigen, auf welchen theoretischen Grundlagen die Farb- und Formenfülle im Tierreich beruhen. Und die Vorfahren der Vögel, die Dinosaurier, erwiesen sich als fürsorgliche Eltern.

Spektrum der Wissenschaft – Evolution der Giganten

Die Dinosauriergruppe der Sauropoden brachte die größten landlebenden Tiere aller Zeiten hervor. Wieso konnten die Sauropoden so ungeheuer groß werden? Außerdem: Bewegungsdaten vieler Millionen Sterne erzählen von einer höchst turbulenten Geschichte der Milchstraße. Können Proteine aus dem Bioreaktor als Fleischersatz dabei helfen, eine nachhaltige Lebensweise zu erreichen und die Umweltbilanz zu verbessern? Um künftige Computersysteme energieeffizienter, schneller und verlässlicher zu gestalten, orientieren sich Fachleute zunehmend am Gehirn als biologischem Vorbild.

Spektrum Kompakt – Pionierinnen – Frauen, die Geschichte schrieben

Ob Schauspielerinnen, Schriftstellerinnen oder Königinnen: Schon in der frühen Geschichte lassen sich hier wie dort Frauen finden, die soziale Normen nicht nur hinterfragten, sondern sich auch von ihnen befreiten. Ihre Lebensgeschichten dienen auch heute als Inspiration für Geschlechterdiskurse.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.