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Der Messier-Katalog auf Doppelseiten

Mehr als zwei Jahrhunderte ist er alt, und hat an Ansehen und Autorität nichts eingebüßt: Der Messier-Katalog, der 110 Himmelsobjekte jenseits unseres kosmischen Vorgartens versammelt. Der Namensgeber dieser Auflistung von 110 Sternhaufen, Nebeln und Galaxien, Charles Messier (1730 – 1817), war ein begnadeter Kometenjäger, der beides hatte: Geduld und ein exaktes Gedächtnis für das, was er durch die Okulare seiner aus heutiger Sicht bescheidenen Teleskope sah. Mit dem Krebsnebel M 1, den Messier beschrieb als "Nebel, enthält keinen Stern; er ist ein weißliches Licht, länglich in der Form des Lichts einer Kerze", war 1758 der Grundstein des Messier-Katalogs gelegt, der über vier Jahrzehnte bis zum heute bekannten Umfang wuchs.

Auch wenn der Messier-Katalog nicht logisch aufgebaut ist, ja sogar handfeste Kuriositäten oder Ungereimtheiten enthält, ist er bis heute das Maß der Dinge. Entsprechend groß ist die Zahl der Publikationen, die ihn thematisieren. Ein jüngeres Buch aus dem Kosmos-Verlag will insbesondere Amateurastronomen eine Handreichung sein, Messier-Objekte zu suchen, zu finden, zu beobachten und zu fotografieren – so zumindest verheißt es der Untertitel.

Dieses Werk von Bernd Koch und Stefan Korth ist ein Buch der Doppelseiten: Eine über Charles Messier, eine über die Himmelsobjekte seines Katalogs und eine zur visuellen Beobachtung markieren den Einstieg zum Hauptteil, in dem – ebenfalls auf stets gleich strukturierten Doppelseiten – die Messier-Objekte behandelt werden. Erst nach dem abschließenden Himmelsobjekt des Messier-Katalogs, unserer Nachbargalaxie M 110 im Sternbild Andromeda, wird diese Struktur gebrochen: Auf gleich drei Seiten schreibt der versierte Astrofotograf Bernd Koch offen über sein mühevolles Unterfangen, über drei Jahre hinweg alle Objekte des Messier-Katalogs fotografisch zu erfassen.

Viele der von Mitteleuropa bequem beobachtbaren Deep-Sky-Objekte fotografierte Bernd Koch von seiner eigenen Gartensternwarte aus, die im Westerwald liegt. Im Astroparadies Namibia komplettierte er seinen Messierbilderbogen. Dazu nutzte er Refraktoren und Schmidt-Cassegrain- Teleskope mit Öffnungen zwischen drei und vierzehn Zoll sowie für H-alpha- Licht modifizierte digitale Spiegelreflex- Kameras und eine gekühlte CCD-Kamera. Teilweise kombinierte Bernd Koch am PC Aufnahmen beider Systeme.

Der Aufbau folgt auch im Hauptteil des Buchs eisern eingehaltenen Regeln: Jedem Messier-Objekt ist eine Doppelseite gewidmet. Auf der jeweils linken Seite findet sich einleitend ein tabellarischer Steckbrief. Die von Stefan Korth verfassten Texte sind stets dreigeteilt. Zunächst erfährt der Leser etwas zur Entdeckungsgeschichte. Es folgen jeweils ein Abschnitt zum Auffinden und einer zur Beobachtung des Deep-Sky-Objekts. Daneben sind insgesamt 32 "Informationskästen" ins Buch eingestreut, je 16 zu astronomischen Themen und 16 zur Astrofotografie.

Eigentlich müsste der Titel des Buchs einen dritten Autorennamen nennen: Stephan Schurig, der die Sternkarten erstellte. Seine Werke präsentieren sich auf der rechten Doppelseite gemeinsam mit einer gleich groß gedruckten Astrofotografie. Die Sternkarten sind nach konstantem Muster aufgebaut: In einer großformatigen Sternkarte sind Detailansichten eingebettet, die Sterne bis zu 9 mag darstellen. Diese anschaulichen Detailkarten zeigen klassische Starhopping-Wege. In Kombination mit den "So-finden-Sie- Texten" dürfte auch ein im Auffinden von Deep-Sky-Objekten wenig geübter Sterngucker gute Chancen haben, selbst schwierige Messier-Kandidaten wie die Galaxie M 91 im Sternbild Haar der Berenike ins Okular zu bekommen.

Die Struktur des Buchs erscheint mir wie ein – viel zu enges – Korsett: Eine Doppelseite pro Objekt schert die unterschiedlichen Deep-Sky-Objekte des Messier-Katalogs zu sehr über einen Kamm. Mehrere Himmelsobjekte wie etwa M 31/M 32 oder M 84/M 86 werden gemeinsam behandelt, weil sie nahe beieinander liegen. Beides führt dazu, dass spektakuläre Himmelsobjekte wie die facettenreiche Nachbargalaxie M 31 im Sternbild Andromeda, zu der es ganze Bibliotheken gibt, ähnlich (wenig) umfassend gewürdigt werden wie relativ unspektakuläre und von nördlichen Breiten aus nur schwer beobachtbare Objekte wie etwa der winzige Kugelsternhaufen M 79 im Sternbild Hase.

In den beschreibenden Texten vermisse ich manches Mal eine wirklich tiefgehende Beobachtungspraxis des Autors. Wiederholungen ermüden, insbesondere wenn es sich um den immer wiederkehrenden Gemeinplatz handelt, mit dem Zwölfzöller "mehr" zu sehen als mit kleineren Refraktoren. Eben diesem "Mehr" wäre detailliertere Tiefe zu wünschen, zumal es genügend Beispiele für vollendete Bücher zur Deep-Sky-Beobachtungspraxis inzwischen auch in deutscher Sprache gibt.

Das Literaturverzeichnis folgt einer Mode, der große Verlagshäuser mittlerweile gerne erliegen, und die stets muffig riecht: Es finden sich im ersten Teil des Kapitels "Zum Weiterlesen und Weiterklicken" ausschließlich Publikationen des Kosmos-Verlags, zu allem Überfluss halbfett gedruckt. Anschließend sind zwar auch Bücher anderer Verlage aufgelistet, allerdings inmitten einer langen Aufstellung über Onlinequellen zu einzelnen Messier-Objekten. Dieses Verzeichnis ist weder vollständig noch aktuell. Merkwürdig mutet etwa das Fehlen von Internetquellen für so prominente Objekte wie M 45 im Sternbild Stier oder die Whirlpool- Galaxie M 51 im Sternbild Jagdhunde an. Webhinweise sind generell problematisch, weil sie oft schon bei Drucklegung nicht mehr aktuell sind. Da hilft eine Suchmaschine schneller weiter.

Bei der Lektüre der hier rezensierten Publikation drängt sich beharrlich ein Vergleich auf mit dem epochalen Werk aus dem Oculum-Verlag, dem "Atlas der Messier-Objekte" aus dem Jahre 2006, das rund das Doppelte kostet. Wer beide Bücher nebeneinander betrachtet, einzelne Kapitel direkt miteinander vergleicht, stellt fest: Im Kosmos-Buch finden sich nicht viele Informationen, die weit über jene im Oculum-Buch gegebenen hinausreichen.

Die nicht wirklich überzeugende Druckqualität rundet den zwiespältigen Eindruck des in Tschechien gedruckten Kosmos-Buchs ab. Die Astrofotografien lassen eine in dieser Preisklasse durchaus zu erwartende Brillanz vermissen. Oft sind die Bilder erstaunlich flau und durchgängig fehlen ihnen tiefe Schwarztöne. Auch hier liegt ein Vergleich mit dem "Atlas der Messier-Objekte" auf der Hand, zumal dieser drucktechnisch in einer ganz anderen Liga auftritt. Das ist zu wenig für ein Buch, das immerhin 30 Euro kostet.

Mein Fazit: Der Untertitel des kleinformatigen Kosmos-Buchs "Suchen, Finden, Beobachten, Fotografieren" hält durchaus, was er verspricht, allerdings auf durchweg Einsteiger-Niveau. Vieles wirkt als Appetithappen und ruft nach mehr. Wer mehr zum Thema Messierobjekte möchte, greift – entweder nach Lektüre dieses Buchs oder direkt – zum zwar doppelt so teuren Vorbild aus dem Oculum-Verlag, erhält dafür aber ein Vielfaches an astronomischem, beobachtungspraktischem und visuellem Nährwert.

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  • Quellen
Sterne und Weltraum 9/2010

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