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Nah am Menschen

Die Porträtkunst an der Schwelle von Mittelalter und Neuzeit hat viele Gesichter: Seit die Humanisten das Individuum zum Maß aller Dinge erklärten, bringen Maler diese neue Weltsicht auch in ihren Werken zum Ausdruck. Losgelöst von den Dogmen des Mittelalters, sehen die Künstler den Menschen nicht mehr als sündenbeladenes Wesen, sondern preisen ihn als Wunder der Schöpfung und malen ihn authentischer denn je. Vor allem in der Porträtmalerei, jenem Genre, das um die Mitte des 15. Jahrhunderts in Italien entstand – und auch mit Dürer über die Alpen kam.

Genies wie Albrecht Dürer, Lucas Cranach der Ältere und Hans Holbein der Jüngere gelingt es mit präzise geführten Pinselstrichen, ihre Modelle wiederzugeben − so naturgetreu, dass sie geradezu greifbar erscheinen: mal vor unspezifischem Hintergrund, mal in angedeuteten Räumen, mal vor landschaftlicher Kulisse. Es ist die beinahe fotografische Präzision, gepaart mit psychologischem Scharfblick, mit dem die drei Maler Charakter und Gemütslage ihrer Auftraggeber feinsinnig in Öl festhalten, äußeres Erscheinungsbild und inneres Wesen gleichermaßen sichtbar machen. Dies eröffnete den Porträtierten auch neue Möglichkeiten der Selbstdarstellung. Bald schon erkannten die Mächtigen die Kunst als Mittel zum Ruhm.

Aus epoc 2/2012
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Um 1500 machte das italienische Modell der Kunstförderung auch nördlich der Alpen Schule. Der soziale Aufstieg der Künstler und ihre wachsende Wertschätzung vollzogen sich im Bezugsrahmen der Höfe, wo die Porträtmalerei als Repräsentationskunst ihren Anfang nahm. Im Wettstreit um Status und Macht griffen in der Folgezeit mehr und mehr Persönlichkeiten zum Mittel der ästhetischen Propaganda. Fürstliche Herren, wohlhabende Kaufleute und Bankiers, selbstbewusste Patrizierinnen – sie alle hatten die gleiche Motivation: Legitimation.

Dürer, Holbein und Cranach bannten die Elite ihrer Zeit auf Leinwand. Ihr künstlerisches Schaffen und die Beweggründe ihrer geltungsbedürftigen Auftraggeber werden in dem Katalog zur gleichnamigen Münchner Ausstellung eindrucksvoll in Wort und Bild beschrieben.

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  • Quellen
epoc 2/2012

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