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Menschlein wechsel dich

Den Chef um Urlaub bitten oder dem eigenen Partner einen Wunsch ausschlagen? Was für den einen selbstverständlich ist, bereitet manch anderem schlaflose Nächte. Menschen sind verschieden und entwickeln sich zudem im Lauf des Lebens immer weiter. Eine "gute" oder "schlechte" Persönlichkeit gibt es jedoch nicht, glaubt der Erziehungswissenschaftler Michael Dieterich, der am Europäischen Theologischen Seminar in Freudenstadt lehrt. Vielmehr sei es eine Frage der Lebenssituation, ob ein Wesenszug Vor- oder Nachteile bringt. Wer etwa als Verkäufer nicht überzeugt, mag als aufmerksamer Zuhörer durchaus taugen.

So möchte der Autor, ehemals Lehrer und heute Unternehmensberater, auch das Ziel des von ihm entwickelten Persönlichkeitsstrukturtests verstanden wissen: Er soll keine Schubladen bedienen, sondern Stärken und Schwächen identifizieren und Potenziale aufspüren. Um sich zu verändern, bedarf es der Übung, denn neue neuronale Verknüpfungen entstehen nur dort, wo sie gebraucht werden, wie Dieterich immer wieder betont. Wer etwa durchsetzungsfähiger, aufmerksamer oder entspannter werden wolle, müsse so lange trainieren, bis sich die neuen Verhaltensweisen in sein Gehirn eingebrannt haben.

Zu diesem Zweck bietet der Autor im zweiten Teil des Buchs Lernprogramme mit konkreten Tipps und Tricks. Darin bemüht sich Dieterich, der zusammen mit seiner Frau die "Deutsche Gesellschaft für biblisch-therapeutische Seelsorge" gegründet hat, Theologie und Psychologie zu verbinden und einen ganzheitlichen Blick auf den Menschen zu werfen. Sein Ansatz, spirituelles Denken in Förderung und Therapie einzubeziehen, zielt auf gläubige Menschen ab oder solche, die sich zumindest für Seelsorge interessieren.

Im Kontrast dazu steht sein Versuch, Gefühle mathematisch darzustellen. Die Zahlen, Diagramme und Testkategorien täuschen eine Wissenschaftlichkeit vor, die das Buch jedoch nicht einlöst. Dieterich zitiert unkritisch die "False Memory Syndrome Foundation", eine umstrittene Organisation für Menschen, die behaupten, fälschlich des sexuellen Missbrauchs bezichtigt worden zu sein. Aktuelle Forschungsergebnisse zu falschen Erinnerungen ignoriert der Erziehungswissenschaftler jedoch. Außerdem kommt er zu dem schwer nachvollziehbaren Schluss, dass die positiven Ergebnisse von Psychotherapie vielfach auf Lügen basieren.

Unklar bleibt auch, weshalb Dieterich Angaben zu Dosierung und Handelsnamen von Medikamenten macht, obwohl diese im Rahmen seiner Lernprogramme keine Rollen spielen. Fazit: Dem Buch hätte es gutgetan, wenn sich der Autor auf einige wesentliche Aussagen beschränkt hätte.

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  • Quellen
Gehirn und Geist 11/2009

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