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Alternative Heilmethoden: Ayurveda - der schwere Marsch gen Westen

Mit strenger Wissenschaft ist die Wirkung von Ayurveda schwer zu fassen. Zugleich fehlen hierzulande grundlegende Ausbildungs- und Qualitätsstandards für die traditionelle indische Heilkunst.
Seit über 4000 Jahren wird die Lehre des Ayurveda auf dem indischen Subkontinent praktiziert, heute findet sie auch unter westlichen Medizinern mehr und mehr Anhänger. Zwar konnten verschiedene Studien die Wirksamkeit traditioneller Heilpflanzen bestätigen, doch stellt der ganzheitliche Ansatz der fernöstlichen Heilkunst eine große Hürde für die gängigen Forschungsmethoden dar. Auch Unterschiede in Kultur und Körperbau, fehlende Ausbildungsstandards und mangelnde Qualitätssicherung erschweren Ayurveda die Anerkennung unter hiesigen Experten, wie das Magazin Gehirn und Geist (05/07) in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.

Körper und Psyche hängen eng zusammen und lassen sich nur gemeinsam behandeln – darin ist sich die ayurvedische Medizin mit anderen alternativen Heilmethoden einig. Doch viele dieser Lehren betrachten nur eine Richtung – den Einfluss der Psyche auf den Körper. Wie die moderne Schulmedizin kennt Ayurveda indes auch die umgekehrte Wirkung.

Die fernöstliche Lehre beschreibt den Zustand eines Menschen durch drei „Lebensenergien“: Vata (Luft), Pitta (Feuer) und Kapha (Wasser und Erde). Gerät die individuelle Energieverteilung aus dem Gleichgewicht, etwa durch falsche Ernährung oder schlechte Lebensweise, so entstehen Erkrankungen. Der ayurvedische Arzt versucht dann, die ursprüngliche Balance wieder herzustellen. Wie Bernhard Uehleke vom Lehrstuhl für Naturheilkunde an der Berliner Charité betont, ist die direkte Übertragung von Therapien auf die westliche Gesellschaft wegen unterschiedlicher Konstitutionstypen jedoch problematisch – so haben Inder einen höheren Körperfettanteil als die eher schlanken Westeuropäer.

Letzten Endes misst sich die Qualität einer Therapie an ihrer Wirksamkeit – doch gibt es kaum klinische Studien zum Ayurveda. Anders als bei Medikamententests können Forscher bei ayurvedischen Behandlungen wie Hypnose, Yoga und Schwitzbädern keine Vergleichsstudien mit Placebos durchführen. Mehr noch sind spirituelle Methoden wie Handauflegen und Obertonmusik wissenschaftlich kaum zugänglich. Christian Keßler von der Medizinischen Hochschule Hannover erklärt außerdem: "Ayurveda verfolgt immer einen multimodalen Ansatz" – die medizinische Forschung untersucht die Behandlungskomponenten jedoch möglichst isoliert.

Allerdings konnten Wissenschaftler die Effekte einzelner ayurvedischer Heilkräuter bestätigen. So wirkt die Juckbohne sogar zwei bis dreimal so stark gegen die Schüttelsymptome der Parkinson-Erkrankung wie künstliche Präparate. Zwei australische Studien bescheinigte dem Kleinen Fettblatt die Wirkung gegen Vergesslichkeit, während die Pflanze nach einer indischen Studie das Nervengewebe schützt. Auch das Schlangenholz, eines der traditionsreichsten ayurvedischen Heilmittel, sorgt für Beruhigung und Senkung des Blutdrucks – zeigt aber auch unangenehme Nebenwirkungen, wie Depression, Müdigkeit und Potenzschwäche.

Bis 2001 war noch nicht einmal die Hälfte der ayurvedischen Heilkräuter wissenschaftlich am Menschen getestet – zudem entsprach ein Großteil der indischen Studien nicht den westlichen Standards. Umgekehrt fehlen im Westen klare Ausbildungsvorschriften: In Indien bilden sechs Jahre Studium und 1000 Stunden praktische Übung die Vorraussetzung für eine selbstständige medizinische Arbeit. Dagegen absolvieren viele europäische Anbieter gerade einmal einen Wochenend-Kurs, bevor sie ihr Praxisschild mit dem bislang ungeschützten Zusatz Ayurveda schmücken.

Im Februar 2007 fanden sich in mehreren in Deutschland frei verkäuflichen Ayurveda-Präparaten sogar erhebliche Spuren giftiger Schwermetalle, die zu einer "gesundheitlichen Schädigung vor allem des Nervensystems" führen können, so der Lebensmittelchemiker Matthias Kleinschnitz vom Ludwigshafener Institut Kuhlmann..

Bei der Beurteilung des Gesundheitszustands schneidet Ayurveda im Vergleich mit anderen alternativen Heilmethoden gut ab. In einer Berliner Studie beurteilten Experten des Ayurveda, der Anthroposophie und der traditionellen Chinesischen Medizin krebskranke und gesunde Patienten anhand von Fragebögen – ein abgespeckter Ayurveda-Test ergab das mit Abstand verlässlichste Resultat.

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Gehirn&Geist, 5/2007
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