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Pheromone: Geheime Botschaften für die Nase

Bei Tieren empfängt die Nase eine Vielzahl von Nachrichten - und leitet sie direkt ans Gehirn weiter. Wir Menschen sind in dieser Hinsicht nur schlecht ausgestattet.
Hunde beschnüffeln gegenseitig ihre Feuchtgebiete. In aller Öffentlichkeit! Hund müsste man sein.

In mancher Hinsicht sind Tiere zu beneiden. Sie schnüffeln und stinken fröhlich vor sich hin, und keiner stört sich daran. Im Gegenteil. Riechen am Hinterteil oder am Laternenpfahl gleicht dem Austausch von Visitenkarten. Setzt ein Rüde eine Duftmarke an einen Baum, hinterlässt er wertvolle Informationen: »Ich bin jung, stark und potent, also verpisst euch aus meinem Revier! Weibchen willkommen!« Selbst die genaue Uhrzeit können andere Hunde anhand der Zerfallszeiten der Düfte erkennen. Der nächste Hund versucht allerdings diese Botschaft durch eigene Nachrichten zu »übersprühen«, entsprechend intensiv kann es an solchen Markierungsstellen dann riechen. Eine Duftsprache, die nur andere Hunde verstehen.

Bei denen jedoch löst sie reproduzierbare, immer gleiche »Zwangsreaktionen« aus. So vermelden Tiere ihren Zyklusstatus oder warnen Artgenossen vor einer drohenden Gefahr. Auch Rangordnung, Angst oder Reviergrenzen werden mitgeteilt. Tiere besitzen zur Wahrnehmung solcher Pheromone spezielle Rezeptoren, Mäuse zum Beispiel haben etwa 350 verschiedene davon, jeweils hoch spezialisiert auf einen bestimmten Duft. Zellen in der Nase, die diese Rezeptoren tragen, umgehen mit ihren Nervenfäden das eigentliche Riechhirn. Sie sind – genetisch festgelegt – direkt verdrahtet mit tiefen Hirnarealen wie den Steuerungszentren von Hormonen, Trieben und des vegetativen Nervensystems.

Es geht also nicht immer nur um Sex. Aber oft. Die Natur nennt es Arterhaltung und kennt allerhand Tricks. Beim Eber beispielsweise hat sie an entscheidender Stelle gespart: Sein korkenzieherartig geformter Penis beeindruckt keine Sau. Also produziert er Pheromone, die bei ihr die so genannte Duldungsstarre auslösen: Sie hält still, bis alles vorbei ist. Allerdings wirken die Verführungsdüfte nur zum Zeitpunkt ihres Eisprungs. Menschen finden das Pheromon namens Androstenon so widerlich nach Urin stinkend, dass Eberfleisch praktisch unverkäuflich ist. Kleine Eber werden daher auf abenteuerliche Weise vor der Geschlechtsreife kastriert. Man findet Androstenonduft übrigens auch im Trüffel − kein Wunder, dass die Sau ihn sucht und »zum Fressen« gernhat. Selbst im Achselschweiß des Mannes kommt er vor, was Männer in Frauennasen nicht attraktiver macht, doch, wie Wissenschaftler gezeigt haben, zumindest während des Eisprungs von Frauen als signifikant weniger stinkend empfunden wird. Immerhin.

Was die Botschaften der Pheromonkommunikation angeht, so muss man sagen: Der Mensch ist dafür nur noch suboptimal ausgestattet. Aber: Wir besitzen etwa zehn Rezeptoren, die uns sicher durch die wilde Mischung des alltäglichen Molekülcocktails leiten. Damit informiert uns die Nase über Angst, Stress, Aggression oder Zyklusstatus, löst Vertrauen oder Mitgefühl aus. Das Neugeborene erkennt die Mutter und findet blind zur Milchquelle, nämlich der Mutterbrust.

Verräterischer Schweiß

Wie Tiere produzieren wir offenbar Warnsignale, wenn wir Angst verspüren, und angenehme Duftbotschaften bei Freude. Das hat eine amerikanische Psychologin herausgefunden, die Kinobesuchern Komödien und Horrorfilme zeigte. Die Besucher lieferten anschließend Schweißproben ab, die andere Versuchspersonen eindeutig als »Freude« oder »Angst« identifizierten. Ähnliche Experimente mit Hunden bestätigten dies. Für eine Hundenase ist es überhaupt kein Problem zu riechen, ob der Mensch in einem Sex-, Liebes- oder Kriegsfilm war.

Angstschweiß des Menschen ist unverkennbar und löst unbewusst bei allen Menschen gleiche Reaktionen aus: Man wird aufmerksamer, aktiver, aber auch etwas ängstlich und empathisch. Das haben Psychologen an der Uni Düsseldorf gezeigt. Leider ist weder der Duftstoff noch der Rezeptor dafür bekannt. Wenn Eltern sich liebevoll um ihren Nachwuchs kümmern, dann auch deshalb, weil Babys ihre Eltern mit ihrem Duft dazu animieren. Der Geruch von Neugeborenen kann das Gehirn ähnlich wirkungsvoll ansprechen wie Medikamente gegen Angst und Depression. Das haben schwedische Wissenschaftler jetzt herausgefunden und tüfteln nun intensiv an einem Nasenspray mit Babyduft, das als Antidepressivum genutzt werden könnte.

An der Ruhr-Universität in Bochum konnten wir für einen der Pheromonrezeptoren des Menschen sogar den aktivierenden Duft entschlüsseln: Hedion. Es ist ein Duftstoff, der im Jasmin vorkommt und beim Menschen ein chemisches Äquivalent haben muss. Kernspinuntersuchungen zeigten, dass darauf immer die gleiche kleine Region im Hypothalamus mit erhöhter Gehirnaktivität reagiert, bei Frauen sogar zehnmal mehr als bei Männern. Zusammen mit einem Verhaltensökonomen von der Universität Köln untersuchten wir daraufhin das Verhalten von Menschen und fanden heraus: Wenn Hedion im Raum war, reagierten sie mit signifikant mehr Vertrauen bei Belohnungsspielen und mit mehr Misstrauen bei Bestrafungsspielen.

Eine andere Art von Pheromonrezeptoren erkennt Amine, Duftstoffe, die meist von Fäulnisbakterien gebildet werden und nach totem Fisch riechen. Mäuse benutzen sie, um kranke Tiere zu erkennen. Mäuseweibchen mit diesem Duft werden von Männchen gemieden. Auch Menschen haben noch einige Rezeptoren dieses Typs, wie wir zeigen konnten. Ob der faulig-fischige Amin-Gestank bei Entzündungen im Mund- und im Vaginalbereich die Fortpflanzungsaktivität mindert, wissen wir noch nicht, der Körperkontakt wird sicher nicht gefördert. Einen Blocker gegen diesen Geruch haben wir immerhin bereits gefunden und auch patentieren lassen: zur Reduzierung von »Schlecht-Gerüchen«.

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