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Grams' Sprechstunde: Hat Recht, wer Allergien mit Akupunktur heilt?

Angeblich belegen Studien, dass Akupunktur Allergien stoppen kann. Kann man da wirklich sicher sein?
Akupunkturpuppe

Neulich sah ich einen Facebook-Kommentar: Jemand hat sich selbst dazu beglückwünscht, »durch Akupunktur endlich frei von Allergien« geworden zu sein. Wirklich? Ich fragte nach. Die Antwort war – erwartbar – erst mal total positiv. Seit Jahren habe man an einer Pollenallergie gelitten, im Frühling sei es besonders schlimm gewesen, und die konventionelle Behandlung habe die Symptome zwar gemildert, jedoch sei die Müdigkeit sehr groß gewesen. Dann die Erlösung durch Akupunktur. Gut, es sei jetzt Sommer und damit nicht mehr die persönliche Hauptallergiezeit, aber nächstes Jahr würde man ja sehen. Ja, genau.

Gehen wir bis dahin mal ins Grundsätzliche: Wie für viele andere Indikationen wird Akupunktur tatsächlich auch für Allergien auf breiter Front beworben und angeboten, insbesondere gegen saisonale Beschwerden wie Heuschnupfen oder allergische Rhinitis. Die Treffer auf Google sind – ebenfalls erwartbar – zahlreich, sie führen unter anderem zur laut Selbstauskunft »ältesten deutschen Akupunkturgesellschaft«, der »Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur e. V. (DÄGfA)«, bei der es sich nicht um eine standesrechtlich anerkannte ärztliche Fachgesellschaft handelt, sondern um einen freien, als eingetragenen Verein geführten Zusammenschluss. Die DÄGfA führt die Akupunkturtherapie gegen allergische Rhinitis geradezu als Paradebeispiel auf und zitiert gleich eine ganze Reihe von Studien.

Solche Studien zur allergischen Rhinitis können allerdings problematisch sein, wenn die Ergebnisse von nicht beeinflussbaren Umständen im Zeitverlauf abhängen. Wenn, wie angeführt wird, solche Studien über Wochen bis Monate durchgeführt werden, wird es schwierig: Das sind Zeiträume, in denen zwangsläufig erheblich schwankt, ob Allergene in großen oder geringsten Mengen in der Luft sind, und in denen manche Pollen jahreszeitlich bedingt von einer Woche zur nächsten sogar ganz verschwinden können. Wie wertvoll ist eine Aussage wie (Zitat aus einer Studie): »Die Besserung der Symptomatik war auch bei denjenigen Patienten nachweisbar, die zunächst nur Notfallmedikation bekommen hatten und dann erst nach Ablauf von 8 Wochen Akupunktur erhielten«? Es gibt eben keine Behandlungsleitlinie, in der Akupunktur zur Therapie oder Prävention allergischer Erscheinungen vorkommt. Eine neue Leitlinie »Allergische Rhinits« ist für Ende September 2019 angekündigt. Die Ärztegesellschaft ist an der Erarbeitung nicht beteiligt.

Dazu kommt (ich habe es hier schon einmal geschrieben, und seither hat sich nichts geändert): Die Akupunktur verfügt über keine positive Gesamtevidenz. Sie steht und fällt mit »spezifischen Punkten«, die auch die DÄGfA als primäres Merkmal der Methode ausdrücklich hervorhebt – wobei es jedoch keine Anzeichen dafür gibt, dass solche Punkte oder die »Meridiane«, auf denen sie liegen sollen, real existieren. Demnach zeigen nahezu alle entsprechenden Vergleichsstudien, dass eine Scheinakupunktur genauso wirkt wie eine »schulmäßig« durchgeführte Akupunktur. Ein deutlicheres Zeichen dafür, dass Akupunktur eine Placebotherapie ist, kann man sich kaum vorstellen. Und klar kann der Placeboeffekt auch hier zu einer Verbesserung beitragen, zumal bei manchen Allergien psychische oder psychosomatische Triggerfaktoren vermutet werden – doch mehr darf man sich von dieser Methode nicht erwarten.

Zurück zur allergischen Rhinitis. Hier bliebe immerhin noch die Frage, wie es überhaupt vorstellbar sein soll, dass Einstiche auf der Körperoberfläche eine komplexe Überreaktion des Immunsystems beeinflussen. Fun-Fact am Rande: Einer der »biochemischen« Erklärungsansätze beruht darauf, dass beim Einstich Histamin freigesetzt werde, was (irgendwie) schmerzhemmende Wirkung haben soll. Nun geht es ja bei der Therapie von Allergien gerade um eine übermäßige Histaminausschüttung, die es zu verhindern gilt. Diese Annahmen jedenfalls schließen sich gegenseitig aus.

Es stellt sich im Grunde genau dar wie bei der Homöopathie: Die Methode per se hat keine Plausibilität, ihre Grundannahmen sind nicht verifiziert bis hochgradig unwahrscheinlich. Einzelne Studien weisen – da wie dort – Hinweise auf Evidenz auf, die in Anbetracht der fehlenden Methodenplausibilität doppelt kritisch beurteilt werden müssen. Das indikationsspezifische Review von 2008 zeigt auf, dass die meisten untersuchten Studien »poor« sind, auch methodisch, und somit aus ihren Einzelergebnissen keine belastbare Evidenz abgeleitet werden kann.

Schlimm ist, dass solche Allergien nicht harmlos sind: Neben dem Leidensdruck, den sie erzeugen, können die Prozesse im Körper chronisch werden und sich auf weitere Organe ausweiten. Auch kann durch einen so genannten »Etagenwechsel« der Heuschnupfen zum chronischen allergischen Asthma werden. Darüber hinaus ist eine Sensibilisierung auf weitere Allergene möglich. Auf gesicherte Therapien zu Gunsten von Akupunktur zu verzichten, vor allem längerfristig, ist also sicher keine gute Empfehlung, weder auf Facebook noch sonst wo. Entwickeln Sie am besten eine gesunde Allergie gegen solcherlei Heilsversprechen.

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