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Brief an die Leser


Verehrte Leserin,

sehr geehrter Leser,



zuerst der ernste Part. „Nobody is perfect“, lautet der letzte Satz in Billy Wilders Filmkomödie „Some like it hot“. Wie wahr. Das gilt für den x-beliebigen Jedermann, aber leider auch für unsere sorgsam arbeitende Redaktion, wie manch einer Ihrer – von uns zerknirscht veröffentlichten – Briefe erweist. In der Ausgabe März 1993 beispielsweise unterlief uns unter der Rubrik „Vor fünfzig und vor hundert Jahren“ dies:

Prompt schrieb Gunter Steil aus Hamburg, daß es sich nicht um einen Prof. Maren, sondern um Etienne Jules Marey handele; das ist eben jener, der laut „J.C. Poggendorff's Biographisch-Literarischem Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften“ von 1904 Naturgeschichte der organischen Körper am Collège de France lehrte sowie Direktor der Station physiologique du Parc des Princes und Mitglied der Académie war. Es lag zum einen wohl am Mangel an Vertrautheit mit dem Fraktur-Druckbild, zum anderen an einer nicht gut leserlichen Kopie der entsprechenden Seite aus unserer Quelle, daß wir Ihnen ein n für ein y vorgemacht haben.

Dazu eine aktuelle Anekdote. Jan Tizzard vom Department für Veterinär-Pathobiologie der Texas-A&M-Universität in College Station teilte in „Nature“ vom 25. Februar 1993 (Seite 676) mit, daß auf ähnliche Weise die Welt der Biomoleküle bereichert worden sei: In der Fachliteratur fand er 16 Hinweise auf ein ihm bislang völlig unbekanntes Tau-Interferon. Als des Rätsels Lösung führte er sowohl Unkenntnis des griechischen Alphabets als auch maschinelle Unzulänglichkeit an, in diesem Falle von Computer-Software. Anstelle des tau müßte nämlich ein gamma stehen.

Tizzards Erklärung, daß ein im Griechischen Unbewanderter die beiden Buchstaben verwechseln könne, ist zuzustimmen. Des weiteren meint er, da es keinen ASCII-Code für gamma gäbe, ließen viele Forscher in ihren Manuskripten das nächstbeste Zeichen ausdrucken; der vorläufige Ersatz sei dann oft genug in der gedruckten Fassung stehengeblieben, „daß eine beträchtliche Anzahl von Arbeiten über Tau-Interferon zusammengekommen ist“. Seine Folgerung: „Das Versagen unseres (des amerikanischen) Erziehungssystems, klassische Bildung zu vermitteln, und der unkritische Gebrauch von Textverarbeitungssystemen haben offenbar so zu einem erheblichen Problem in der modernen Immunologie beigetragen.“

So weit, so plausibel. Trotzdem erfaßt mich ein leichter Schwindel. Denn in dem internationalen ASCII-Standard-Zeichensatz, den alle DOS-Rechner im Textmodus verwenden, gibt es einen Code für g (231), aber keinen für t. Woher stammt nun bloß das Tau-Interferon?


Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1993, Seite 3
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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