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Mathematische Unterhaltungen: Dornröschen und die Wahrscheinlichkeitsrechnung

Wecken oder nicht wecken: Das ist hier die Frage.
Dornröschen

Als Dornröschen, von einem wagemutigen Prinzen geküsst, aus dem hundertjährigen Tiefschlaf erwacht, ist sie im ersten Moment – wenig erstaunlich – desorientiert. Es war doch erst gestern, dass ihr 15. Geburtstag hätte gefeiert werden sollen; aber irgendetwas Merkwürdiges ist dazwischengekommen. Und an den Rest erinnert sie sich nicht mehr. Welchen Wochentag wir heute haben? Keine Ahnung, ganz abgesehen davon, dass im Moment sowieso alle ihre Gedanken beim Prinzen sind.

Dornröschen ist wach und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, weiß aber nicht, wo auf der Zeitachse sie sich gerade befindet: Das ist der einzige Anknüpfungspunkt zwischen dem bekannten Märchen der Gebrüder Grimm und einem ziemlich prosaischen Gedankenexperiment gleichen Namens.

In diesem kommt Dornröschen, die in der englischen Fassung »Sleeping Beauty« heißt, am Sonntag ins Labor, wo ihr der Versuchsleiter das Experiment erläutert, dem sie unterzogen werden soll, und sicherstellt, dass sie es in allen Einzelheiten verstanden hat. Sie wird am Sonntagabend zu Bett gehen. Er wird, vor ihr verborgen, eine faire Münze werfen. Unabhängig vom Ergebnis des Wurfs wird er sie am Montag wecken und ihr ein paar Fragen stellen; darauf verabreicht er ihr eine Droge, die sie nicht nur wieder in den Schlaf versetzt, sondern auch ihre Erinnerung an die Erweckung samt Befragung auslöscht. Wenn die Münze »Kopf« zeigt, tut er nichts weiter. Fällt sie aber so, dass »Zahl« oben liegt, wiederholt er am Dienstag dasselbe Protokoll aus Aufwecken, Befragen und Löschen der Erinnerung wie am Montag. Am Mittwoch wacht Dornröschen auf und erinnert sich an nichts von dem, das ihr seit Sonntag widerfahren ist.

Interessant wird die bis jetzt eher schläfrige Angelegenheit durch die Frage, die der Versuchsleiter ihr während der kurzen Wachphasen stellt: »Mit welcher Wahrscheinlichkeit, glaubst du, zeigte die Münze Kopf?« Es gibt nämlich zwei Antworten. Jede von ihnen hat gute Argumente für sich …

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  • Quellen

Bostrom, N.: Sleeping beauty and self-location: A hybrid model. Synthese 157, 2007

Elga, A.: Self-locating Belief and the Sleeping Beauty Problem. Analysis 60, 2000

Lewis, D.: Sleeping Beauty: reply to Elga. Analysis 61, 2001

Rosenthal, J. S.: A mathematical analysis of the Sleeping Beauty problem. The Mathematical Intelligencer 31 (3), 2009

Winkler, P.: The Sleeping Beauty Controversy. The American Mathematical Monthly 124, 2017

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