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Fernerkundung und präventiver Bodenschutz

Mit der Formulierung eines neuen, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Bodenschutzgesetzes werden vorsorgende gegenüber nachsorgenden Aspekten an Bedeutung gewinnen. Die Fernerkundung, die Status und Dynamik von Landschaftssystemen flächendeckend zu beschreiben vermag, kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

In die intakten Landschaftsräume hat der Mensch auf vielfältige Weise eingegriffen. Die zunehmend intensivere landwirtschaftliche Nutzung und die Ausdehnung urbanisierter Zonen drohen die Bodenqualität vielerorts irreversibel zu schädigen. Um eine Übernutzung oder Zerstörung der Böden zu vermeiden und ihre Funktionen zu erhalten, müssen gezielt Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Ein umfassender Bodenschutz erfordert das Erarbeiten und Umsetzen geeigneter zukunftsweisender Strategien zur Diagnose, Vorsorge, Schadensbegrenzung und Sanierung, wobei der Prävention – also dem Einschreiten bereits bei begründetem Verdacht – entscheidende Bedeutung zukommt.

Für den Aufbau eines solchen Risiko-Management-Systems wären zunächst Umweltqualitätsziele zu vereinbaren, die es einzuhalten gälte; sodann müßten geeignete Umweltindikatoren festgelegt und zulässige Grenzwerte für sie definiert werden, bei deren Über- beziehungsweise Unterschreiten Schutz- oder Vorsorgemaßnahmen einzuleiten wären. Dem Monitoring käme somit die Aufgabe zu, den aktuellen Status der Bodenbelastung und -schädigung sowie die relevanten Bodenprozesse zu erfassen, zu bewerten und eingeleitete Maßnahmen zu überwachen. Dazu müssen Techniken bereitgestellt werden, mit denen sich die Daten sowohl räumlich als auch zeitlich mit angemessener Auflösung gewinnen lassen.

Von der Größe des Inventurgebietes und der für die Auswertung erforderlichen Meßdichte hängt es ab, welches Verfahren der Datenerfassung die höchste Effizienz und den geringsten ökonomischen Aufwand benötigt. Für den kleinräumigen, in der Regel reaktiven Bodenschutz – wie beispielsweise für die Sanierung von Altlasten – ist zumeist eine physikochemische und biologische Detailanalyse vor Ort angebracht. Hingegen bedarf ein präventives und großflächig anwendbares Risiko-Management überwiegend fernerkundlich gewonnener Informationen, um die ökosystemtypischen Umweltindikatoren in ihrer Dynamik ereignisnah und flächendeckend bestimmen zu können.


Einsatz der Fernerkundung zur nachhaltigen Bodenbewirtschaftung

Das Erfassen der Indikatoren durch Fernerkundung bietet zahlreiche Vorteile. Zum einen lassen sich dieselben Objekte – wie etwa der Pflanzenbestand einer Region oder ein bestimmtes Feuchtgebiet – zu unterschiedlichen Zeiten untersuchen, so daß ihre Dynamik bestimmt werden kann (multitemporale Erkundung). Zum anderen erhöht sich die Aussagekraft der Messungen durch die Variation der Beobachtungsgeometrie – unterschiedliche Bahn- beziehungsweise Flughöhe, unterschiedliche räumliche Auflösung und unterschiedliche Blick- oder Beleuchtungswinkel (multistationäre Erkundung). Ferner können mittels verschiedener Instrumente Objekte in unterschiedlichen Spektralbereichen erfaßt werden, was ihre Identifikation anhand charakteristischer spektraler Signaturen ermöglicht (multisensorielle und multispektrale Erkundung). Dabei vermag man komplexe, über lokale Details integrierende Kenngrößen zur Beurteilung des Zustandes von Ökosystemen verfügbar zu machen, die sich prinzipiell zur operationellen und flächendeckenden Informationsbeschaffung auf Systemebene eignen.

Bisher wurden Fernerkundungsdaten hauptsächlich für die Grundlagenforschung genutzt, um Ursache-WirkungsProzesse qualitativ und quantitativ zu untersuchen sowie Bodenzustände hinsichtlich ihrer Dynamik zu charakterisieren. Bezieht man diese Daten jedoch verstärkt in Programme des präventiven Bodenschutzes ein, lassen sich mit ihnen auch im Rahmen des Risiko-Managements einzuleitende und durchgeführte Schutzmaßnahmen konzipieren und kontrollieren.

Umweltpolitisch angemessenes Handeln kann sich deshalb nicht ausschließlich auf deskriptive beziehungsweise auf analytische Informationen stützen; vielmehr ist bewertende Information erforderlich, die den erhobenen Umweltzustand in Beziehung zu definierten Umweltqualitätszielen setzt.

In der Regel erbringt erst die optimierte Kombination von Messungen, die am Boden, vom Flugzeug und von Satelliten aus gewonnen wurden, all die Informationen, die für eine problemorientierte Umweltbewertung gebraucht werden. Zum einen läßt sich mit der Fernerkundung ein terrestrisches Meßprogramm vorbereiten und optimieren, indem man aus den erfaßten Gebieten interessierende Areale auswählt; zum anderen kann man die terrestrische Analyse heranziehen, um in den Fernerkundungsdaten Objekte zu identifizieren und zu charakterisieren.

Deshalb ist ein integriertes Erkundungssystem geboten, in dem eine sinnvolle und synergistische Aufgabenteilung von Terrestrik und Fernerkundung realisiert werden kann.

Für raumbezogene Anwendungen beispielsweise würde dies bedeuten, daß man zunächst auf Testfeldern terrestrische Punktmessungen vornimmt, um Stützstellen für die Kalibrierung von Fernerkundungssensoren und -daten zu erhalten. Sodann würde man das Testfeld und andere Gebiete mit geeigneten Sensoren vom Flugzeug oder von Satelliten aus erfassen, um Problemflächen zu identifizieren und zu kartieren. In Einzelfällen könnte man vor Ort eine gezielte Validierung der Fernerkundungsdaten durchführen. Des weiteren ließen sich mittels Fernerkundung Parameter ableiten, die zwar nicht unmittelbar mit dem Zustand des Bodens in Beziehung stehen, die aber dennoch – in geeignete Modelle implementiert – für den Bodenschutz relevante Informationen ergeben können.

In Zusammenarbeit mit anderen Institutionen entwickelt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Außenstelle Neustrelitz, entsprechende Modelle und Algorithmen für ein integrierendes Datenerfassungssystem. Für dessen Auslegung sind mehrere Kriterien zu berücksichtigen:

– der Stand der Technik,

– die Kosten,

– die Operationalität bei geforderter Genauigkeit und Verläßlichkeit der Meßsysteme,

– der Flächenrahmen,

– die geforderte Wiederholungsrate der Messung sowie

– der erforderliche Aggregationsgrad der Daten.

Für den Bodenschutz gilt wie für andere Nutzanwendungen der Erkundung, daß unterschiedliche Probleme verschiedene Anforderungen an Detaillierungsgrad und Flächenabdeckung stellen. Die terrestrische Erkundung vermag in der Regel nur kleine Flächen abzudecken, erbringt aber eine hohe Detailinformation. Die Fernerkundung hingegen liefert eine hohe Flächeninformation, während die Detailliertheit der Bodenparameter geringer ist. Erst die geeignete Kombination beider Verfahren ermöglicht es, dem Nutzer die erforderliche Informationsfülle zu liefern (Bild 1).

Zwischen gewünschter beziehungsweise geforderter Meßgenauigkeit und dem zu leistenden Meßaufwand gilt es abzuwägen, wobei die Heterogenität am Standort eine Rolle spielt (Bild 2 oben). Für die Kombination des terrestrisch und des fernerkundlich zu betreibenden Aufwands kann man in Abhängigkeit von der lokalen Heterogenität Aufwandsminima ableiten, durch die sich die Kosten der bodenkundlich orientierten Erkundung reduzieren lassen (Bild 2 unten). Die Lage des Minimums hängt von Umfang und Heterogenität des Untersuchungsgebietes, von Auswahl und Stand der Meßtechnik sowie vom tolerierbaren Meßfehler und von der Dynamik signifikanter Prozesse ab.

Die maßgeblichen Dimensionen von Geoinformation und Umweltprogramm kann man dem erforderlichen terrestrischen Arbeitsaufwand und den zuständigen administrativen Ebenen zuordnen (Bild 3). Wegen dieser Zusammenhänge muß einer umweltpolitischen Bewertung des Bodenzustands eine Hirarchie der vorhandenen beziehungsweise zu erreichenden Qualitätsziele zugrunde liegen. Es zeigt sich, daß nicht nur Luftaufnahmen, sondern auch die verfügbaren Satellitenbilder ein räumliches Auflösungsvermögen haben, das den für Raumplanungsaufgaben heranzuziehenden Kartenmaßstäben in allen Planungsebenen adäquat ist.


Resümee und umweltpolitischer Handlungsbedarf

Die Anwendung der modernen Erdbeobachtungstechnologie zur Lösung von Problemen des Bodenschutzes erweist sich immer dann als zweckmäßig, wenn Bedarf an kontinuierlich erhobenen Daten mit Flächenbezug besteht. Nachdem die Fernerkundung bisher überwiegend zu wissenschaftlichen Zwecken eingesetzt worden ist, steht nun dringend ihre Implementierung in entsprechende operationelle Systeme für den präventiven Umweltschutz an.

Eine Strategie für nachhaltigen Bodenschutz sollte unter Beteiligung von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Verwaltung ausgearbeitet werden. In einem geeigneten Diskurs wären auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und Modelle allgemeine Umweltqualitätsziele für den Boden und zulässige Schwankungsbreiten von bestimmten Indikatoren in seinen verschiedenen Nutzungsformen ebenso festzulegen wie zielgerichtete Maßnahmenbündel und Kostenbeteiligungen von Nutzern und von Schadenverursachern an einer zukunftsweisenden Umweltüberwachung und -prävention.

Ohne daß wir hier genauer auf die Probleme einer monetären Umweltbewertung eingehen könnten, läßt sich doch feststellen, daß nachhaltiger Bodenschutz auf der Grundlage einer präventiven Umweltpolitik nur dann als realisierbar erscheint, wenn er an regulierende administrative oder marktwirtschaftliche Mechanismen gekoppelt wird, mit denen sich die Geldflüsse, die mit dem Schutzgut Boden verbunden sind, steuern lassen. Nach wirtschaftswissenschaftlichem Sprachgebrauch zielt dies auf eine Internalisierung externer Effekte durch die funktionale Verknüpfung der Wirtschaftsweise des Bodennutzers mit der Richtung und Höhe entsprechender Finanztransfers.

Wenn ein auf Fernerkundung basierendes Monitoring-System Daten in genügendem Umfang und ausreichender Qualität zu liefern imstande ist, kommt ihm eine entscheidende Rolle im Gesamtkonzept eines zukunftsweisenden Regelungssystems zu. Die Information über den Raumbezug und die Wirkungsspezifität geleisteter Schutzmaßnahmen beziehungsweise verursachter Schädigungen fließt dann direkt in die Bemessung und Steuerung dieser Geldflüsse ein. Satellitengestützte Fernerkundung kann somit einen wesentlichen Beitrag zu einer optimierten synoptischen Informationsbeschaffung für ein geregeltes Bodennutzungskonzept leisten.



Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1998, Seite 122
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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