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Rapid Prototyping durch Abscheiden aus der Schmelze


Die Herstellung von Musterteilen, Modellen und prototypischen Bauteilen direkt anhand von Computerdaten beschleunigt die Produktentwicklung wesentlich und vermindert auch Fehler. Um die Auswahl an verwendbaren Materialien zu erweitern, hat das Fraunhofer-Institut für Angewandte Materialforschung in Bremen Anfang 1993 die europaweit erste Anlage für das sogenannte Fused Deposition Modeling (Bild 1 links) installiert.

In diesem Gerät der amerikanischen Firma Stratasys wird drahtförmiges Material – Polyamid, Polyethylen oder Wachs – in einer Schmelzkammer verflüssigt und durch ein Düsensystem auf einer Schaumunterlage ausgebracht; und zwar läßt man es schichtweise in einer Form erstarren, die dem jeweiligen Querschnitt der zu fertigenden Struktur entspricht. Nachdem eine Lage fertig ist, senkt man Träger und Bauteil um eine Schichthöhe (0,05 bis 0,7 Millimeter) zum Auftrag der nächsten ab (Bild 1 rechts).

Zunächst muß eine dreidimensionale Darstellung des Modells als Daten-File generiert werden. Dieses virtuelle Objekt zerlegt der Rechner automatisch in einzelne Schichten mit der Bauteilkontur in den entsprechenden Höhen und ergänzt diese Informationen um Maschinenparameter: die Düsengröße, die sich zwischen 0,25 und 1,25 Millimetern variieren läßt, die von 5 bis 15 Millimeter pro Sekunde regelbare Verfahrgeschwindigkeit, die Materialart und die Angabe, ob die Lagen rasterartig oder der Kontur folgend gefüllt werden sollen. Schließlich berechnet der Computer Angaben zur Steuerung der Anlage, die vollautomatisch und unbeaufsichtigt arbeitet.


Erste Erfahrungen

Wir haben das Verfahren bereits für Anwendungen im Automobil- und Maschinenbau, in der Medizintechnik, der Verpackungsindustrie und in Gießereien erprobt. Die Kunststoffmodelle erwiesen sich als geeignet für einfache Funktionstests und als Anschauungsobjekte beispielsweise zur Prüfung der Paßgenauigkeit von Bauteilen, für Operationsplanungen oder zur Designkontrolle.

Metallische Prototypen erhält man mit Folgetechniken, etwa mit dem Wachsausschmelzverfahren mit sogenannter verlorener Form, bei dem ein Wachsmodell mit Keramik ummantelt und dann ausgeschmolzen wird. Dafür eignet sich das Fused Deposition Modeling besonders gut, weil damit geeignete Wachse direkt zu verarbeiten sind (Bild 2).

Es zeigten sich prinzipielle Vorteile dieser Technologie in der Produktentwicklung:

- Studien von Anwendern ergaben Kosten- und Zeiteinsparungen für die Modellherstellung um jeweils rund 50 Prozent;

- Design-Fehler ließen sich anhand des schnell gefertigten Prototyps sofort feststellen;

- Bauteilvarianten konnten schneller und kostengünstiger analysiert und bewertet werden.

Das Verfahren läßt sich vermutlich in nahezu allen Industriebranchen einsetzen. Besonders geeignet scheint es für wenig filigrane Bauteile zu sein, die kaum auskragende Elemente haben; sonst müssen unterstützende Konstruktionen vorgesehen werden, und eine Nachbearbeitung ist häufig erforderlich. Hergestellt wurden beispielsweise Formhälften sowie Prototypen von Flaschen, Verriegelungselementen, Turbinenläufern und Kugellagerkäfigen.

Für ein deutsches Unternehmen fertigten wir ein Konusmodell aus Polyamid und metallische Prototypen im Sandguß. Um das Schrumpfen des Metalls beim Abkühlen auszugleichen, planten wir das Modell zwei Prozent größer. Vorlage war in diesem Fall kein CAD-Datensatz, sondern ein Objekt aus anderem Material, das mit einem Laser-Scanner zunächst vermessen und digitalisiert werden mußte. Danach diente die Polyamid-Form als Urmodell für eine Kleinserie. Konventionell hätte man zunächst nach dem Vorbild eine Zeichnung fertigen und darauf basierend in der Gießerei ein Urmodell herstellen müssen. Der Zeitaufwand betrug nun eine statt etwa zwei Wochen; die Kosten lagen bei 1400 Mark, normalerweise hätten sie etwa 4000 Mark ausgemacht.


Aktuelle Entwicklungen

Das beschriebene Verfahren war der erste Schritt zu einem Anwendungszentrum für Rapid Prototyping an unserem Institut. Dort ist außerdem eine Laser-Sinteranlage installiert, mit der Bauteile schichtweise aus Pulvermaterialien aufgebaut werden. Derzeit werden damit Kunststoffe verarbeitet, doch eignet sich das Verfahren auch für metallische und keramische Modelle. Des weiteren sind der Formenbau und Gießereitechniken als Folgetechnologien wichtige Forschungsthemen des Zentrums.

Um metallische und keramische Prototypen direkt zu fertigen, entwickelt unser Institut zudem ein Verfahren, entsprechende schmelzflüssige Materialien durch ein erhitztes Düsensystem auszubringen. Anders als beim Fused Deposition Modeling benötigt man dafür einen Pumpmechanismus, der verschiedene Phasen wie niedrigschmelzende Metall-Legierungen und Pulver-Binder-Gemische verarbeiten kann.

Letztere können Mischungen metallischer Werkstoffe wie Edelstahl oder Titan sowie keramischer wie Siliciumcarbid sein. Die Anlage erzeugt zunächst ein sogenanntes Grünteil, das jeweils zur Hälfte aus Pulver und Binder – meist einem Wachs oder Polymer – besteht. Dieser wird in einem Lösungsmittelbad entfernt und das Bauteil in einem Ofen auf seine endgültige Dichte von 95 bis 98 Prozent gesintert. Dabei schrumpft es um etwas mehr als ein Zehntel (Bild 3), was bei der Planung zu bedenken ist.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1995, Seite 95
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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