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Wissenschaft im Alltag: Der Autofokus



Schade, wenn das Ferienfoto nur schemenhaft erahnen lässt, woran man sich so gern erinnern würde. Entscheidend für ein gutes Foto wäre die richtige Brennweiteneinstellung gewesen. Nur wenn das Motiv im Fokus des Linsensystems liegt, wird es scharf abgebildet. Doch heutzutage sind verschwommene Bilder die Ausnahme, denn meist übernimmt die Kameraelektronik das Scharfstellen. Sie wertet das Licht aus, das durch einen oder mehrere Bildbereiche einfällt. Diese sind im Sucher durch Rahmen markiert. Bei hochpreisigen Geräten zeigen zum Beispiel Leuchtdioden an, auf welchen Ausschnitt die Kamera gerade scharf stellt.

Zwei Autofokusverfahren haben sich durchgesetzt. In beiden fungieren Zeilen aus mehreren hundert lichtempfindlichen Halbleiterelementen (Charge-Coupled Devices, CCDs) als Sensoren und werten ähnlich den Sinneszellen der Netzhaut die Lichtintensität aus.

Relative Verfahren analysieren die Helligkeitsverteilung im gewünschten Bildausschnitt mithilfe der so genannten schnellen Fourier-Transformation. Sie interpretiert das Intensitätsmuster als Ergebnis einer Überlagerung von Sinusfunktionen und ermittelt das zugehörige Frequenzspektrum. Denn Unschärfe verringert Kontraste und verschmiert Kanten, das entspricht in dieser mathematischen Darstellung einer Tiefpassfilterung, bei der hohe "Frequenzen" im Spektrum fehlen. Das Objektiv der Kamera wird deshalb von der Automatik so lange schrittweise verstellt, bis sie ein optimal breites Spektrum ermittelt hat.

Spiegelreflexkameras arbeiten meist mit einer Teileroptik, die das Licht, das durch das Objektiv eintritt, über Linsen auf zwei Reihen von CCDs projiziert. Diese Methode hat hier Tradition: Schnittbild-Entfernungsmesser zeigen beim Bild durch den Sucher zwei Teilbilder, die bei optimaler Scharfeinstellung zu einem Bild verschmelzen. Die elektronische Version dieses Verfahrens erfordert eine Filterung der Daten, um Kanten hervorzuheben, also das Helligkeitsmuster der beiden Sensorreihen zu akzentuieren. Die Elektronik kann dann mit mathematischen Verfahren bestimmen, wie weit die beiden Abbilder auf den Sensorzeilen voneinander entfernt liegen. Diese Distanz wird gemäß dem konstruktionsbedingten Optimum korrigiert.

Wichtig ist, dass die gemessenen Lichtintensitäten nicht zu gleichmäßig verteilt sind. Bei Kreuzanordnung der Sensorzeilen ist es zwar unwichtig, ob die Strukturen im Bild waagrecht oder senkrecht verlaufen. Gibt es jedoch keine markanten Änderungen in Helligkeit und Kontrast, dann funktioniert auch der Autofokus nicht. Probleme bereiten umgekehrt auch regelmäßige Streifenmuster, wie sie ein Gitter oder Zaun aufweist, da dann die Kameraelektronik kein eindeutiges Ergebnis findet.


Wussten Sie schon?


- Hochwertige Spiegelreflexkameras haben einen kontinuierlichen Autofokus. Er erlaubt scharfe Bilder von einem Motiv, das sich auf die Kamera zu oder von ihr weg bewegt. Wenn der Auslöser halb gedrückt wird, stellt der Autofokus auf das Motiv scharf und beginnt es zu verfolgen. Wird der Auslöser ganz durchgedrückt, verfolgt er den Gegenstand noch bis zu dem Augenblick, in dem sich der Verschluss wirklich öffnet, was bis zu einer Viertelsekunde dauern kann.

- Auch Digitalkameras verwenden den passiven Autofokus zum Scharfstellen. Bei ihnen werden die Teilbilder direkt von den Sensoren ausgewertet, die später auch die eigentlichen Bildinformationen aufnehmen. Allerdings muss der Verschluss der Kamera dazu zweimal öffnen, das erfordert eine gewisse Zeit.

- Neben dem passiven Autofokus, der nur das Licht auswertet, das vom Motiv kommt, gibt es auch die aktive Variante, mit der nichtdigitale Sucherkameras arbeiten. Die Kamera sendet Ultraschall- oder Infrarotsignale aus und misst die reflektierte Strahlung. Die Entfernung des Motivs kann anhand des bekannten Abstands von Sender und Empfänger auf der Kamera durch eine Dreiecksgleichung berechnet werden (trigonometrische Entfernungsmessung). Andere Modelle bestimmen wie ein Radargerät oder ein Echolot die Zeit, die der Messstrahl von der Kamera bis zum Motiv und wieder zurück braucht.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 2003, Seite 56
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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