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Zellbiologie: Ausspioniert

Experimente an Zellkulturen verraten nur wenig über das, was in einem Lebewesen wirklich vorgeht. Höchst interessant wäre es daher, wenn Stoffwechselvorgänge direkt beobachtet werden könnten. Doch wie verfolgt man den Weg etwa einer einzelnen Zelle?
Im Stoffwechsel vieler Lebewesen – von der Hefe bis zum Menschen – ist die Reaktion von einem Zucker mit einem Protein auf einer Zellmembran ein ganz entscheidender Prozess. Diese Glykosylierung ist ein äußert komplexer Vorgang, an dem Hunderte von Enzymen und Transportproteinen beteiligt sind. Läuft dabei etwas schief, so wird der Organismus krank – so zum Beispiel bei Krebs, chronischen Entzündungen oder vererbbaren Krankheiten wie dem CDG-Syndrom (congenial disorder of glycosylation). Auch wenn sich ein Embryo entwickelt, muss die Glykosylierung ordnungsgemäß stattfinden, sonst können sich Zellen nicht mehr erkennen, oder Proteine werden in ihrer Funktion behindert.

Wissenschaftler, die diese Vorgänge besser verstehen möchten, arbeiten seit Jahren an Möglichkeiten, einzelne Zellen auf ihrem Weg durch den Körper zu verfolgen. Dazu nutzen sie bestimmte Moleküle, die sich an deren Oberfläche anlagern und mit deren Hilfe sie die Zelle jederzeit wieder identifizieren können. Bislang funktionierte das allerdings nur in der Petrischale. Carolyn Bertozzi von der Universität von Kalifornien in Berkeley und ihre Kollegen haben nun eine Methode entwickelt, mit der sie erfolgreich Zellen in lebenden Mäusen beobachten konnten. "Unser Versuch, die Zellen in einem lebenden Tier so zu verändern, dass sie an einer chemischen Reaktion teilnehmen können, ohne Schaden davon zu tragen, ist bislang einzigartig", erklärt Berlozzi dazu.

Markierte Zelle | Die Zelle (rechts) ist über ein Protein (grün) mit dem Zucker verknüpft, der über die Staudinger-Ligation mit dem fluoroeszierenden Phosphin verbunden wurde.
Die Forscher nutzten eine von dem Nobelpreisträger Hermann Staudinger beschriebene Reaktion zwischen Aziden und Phosphinen: Sie injizierten den Mäusen einen chemisch veränderten Zucker mit einer Azidgruppe, der gewissermaßen als Spion tätig wird und sich vom Organismus wie jeder andere Zucker durch Glykosylierung in die Membran von Körperzellen einbauen lässt. Um ihn wiederzufinden, gaben die Wissenschaftler ein fluoreszenzmarkiertes Phosphin-Molekül hinzu, das nur an den chemisch modifizierten Zucker binden konnte. Bei den Experimenten stellte sich heraus, dass der chemisch veränderte Zucker, der den Tieren offensichtlich nicht schadete, sich hauptsächlich in Herz, Leber und Niere anreicherte. Die Wissenschaftler sehen dies als Hinweis darauf, dass die Zellen nicht nur auf Grund ihres Äußeren, sondern auch auf Grund ihrer Funktion markiert wurden.

"Wir nutzen die Maus als Reaktionsgefäß, indem wir chemische Reaktionen entwerfen, die uns über Biologie und Krankheiten aufklären, ohne ihrer Physiologie zu schaden", erklärt Berlozzi. "Wir hoffen, bald in lebendem Gewebe Veränderungen der Glykosylierung beobachten zu können – etwa dann, wenn sich ein Embryo entwickelt, ein Tier krank wird oder ein Tumor Metastasen bildet." Zurzeit arbeiten die Wissenschaftler an anderen Nachweismolekülen, um die Zelle zum Beispiel mit Kernspintomografie sichtbar machen zu können.

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