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News: Bluttest für BSE?

In Europa grassiert die Angst: Kann man ein leckeres Steak noch genießen? Oder steckt eine tödliche Gefahr darin? Seitdem bekannt ist, dass die Rinderseuche BSE vor Artschranken keinen Halt macht, werden viele Verbraucher zu Vegetariern. Jedoch nicht nur über infiziertes Fleisch, sondern auch über Blutkonserven könnte eine Übertragung möglich sein. Bisher lassen sich die krankheitsauslösenden Prionen erst nach dem Tod nachweisen. Schweizer und österreichische Wissenschaftler glauben nun, einen Prionennachweis für Blut gefunden zu haben, der gleichzeitig auch neue Einblicke in die Krankheitsmechanismen erlaubt.
Als Stanley Prusiner 1982 behauptete, ein Protein könne Infektionskrankheiten verursachen, erntete er überwiegend Hohn und Spott. Stellte er doch damit das bisher geltende Dogma der Molekularbiologen auf den Kopf, nur Nucleinsäuren sind zur Selbstverdopplung in der Lage. Inzwischen hat ihn die Wirklichkeit auf grausame Art bestätigt. Heute bezweifelt kaum jemand mehr, dass infektiöse Proteine – Prione – den Rinderwahnsinn, die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE), auslösen. Die krankheitsauslösende Variante des Proteins (PrPSc) ist dabei eine abgewandelte Form eines normalen körpereigenen Proteins (PrPC). Prusiner vermutete, dass PrPSc die Umwandlung des normalen PrPC in die pathogene Form veranlasst und somit eine Kettenreaktion auslöst, bei der aus den körpereigenen Prionen immer mehr PrPSc entsteht. 1997 erhielt Prusiner für seine Entdeckung den Medizin-Nobelpreis.

Im Laufe der Zeit verdichteten sich die Anzeichen, dass Prionenerkrankungen die Artschranken über die Nahrungskette überschreiten können. Der BSE-Erreger gilt heute auch als Ursache für die unheilbare, tödlich endende neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD) des Menschen. Inzwischen wachsen die Befürchtungen, dass vCJD nicht nur durch infiziertes Fleisch übertragen wird. Auf Grund der jahrzehntelangen Inkubationszeit könnte auch das Blut vermeintlich Gesunder mit Prionen infiziert sein. Die Folgen wären fatal. Die Politik diskutiert daher ein Blutspendeverbot von Menschen, die sich längere Zeit in England aufhielten. Unangenehmerweise lässt sich die Krankheit im Blut nicht nachweisen. "Bisher gibt es keinen einzigen Antikörpertest, mit dem man im Blut zwischen normalem und abnormem Prioneneiweiß unterscheiden kann", erläutert Hans Peter Schwarz von Baxter Hyland Immuno in Wien. "Die einzigen Tests funktionieren histologisch." Das bedeutet, dass BSE beziehungsweise vCJD erst nach dem Tod im Hirngewebe nachgewiesen werden kann.

Die könnte sich jetzt ändern, wenn sich die Entdeckung von Adriano Aguzzi und seinen Kollegen vom Universitätsspital Zürich bewährt. Die Wissenschaftler arbeiteten mit Plasminogen, einem normalen Protein des Blutes. Es handelt sich dabei um die Vorstufe von Plasmin, das Blutgerinnsel auflöst. Mit dem isolierten Plasminogen umschlossen die Forscher winzige Magnetperlen und mischten diese mit Hirngewebsproben von Mäusen, die mit Scrapie, einer ebenfalls durch Prionen ausgelösten Krankheit bei Schafen, infiziert waren. Bestimmte Abschnitte des Plasminogens, im Laborjargon "Kringel"-Domänen genannt, können andere Proteine binden. Zur Überraschung der Forscher "klebten" an den "Kringel"-Domänen jedoch nur die infektiöse Form der Prionen PrPSc – die normale Variante PrPC verschmähte Plasminogen (Nature vom 23. Oktober 2000). "Deshalb stellt Plasminogen den ersten endogenen Faktor dar, der zwischen normalen und krank machenden Prioneneiweiß zu unterscheiden vermag", erklärt Aguzzi. "Diese unerwartete Eigenschaft könnte für diagnostische Zwecke Verwendung finden."

Die Forscher spekulieren jetzt über die Möglichkeit, infizierte Blutkonserven mit Plasminogen zu erkennen und eventuell sogar zu reinigen. An Prototypen für zukünftige BSE-Testverfahren für Blutkonserven wird schon gearbeitet, auch wenn die Wissenschaftler sich noch vorsichtig geben. "Im Moment haben wir nur ein biochemisches Ergebnis", meint Christiane Roeckl aus der Arbeitsgruppe, "wir wissen einfach nicht, wie sensitiv die Bindung sein kann."

Ihre Entdeckung wirft auch etwas Licht auf die Krankheitsmechanismen. Plasmin, das aus Plasminogen entsteht, steuert auch die synaptischen Verschaltungen im Gehirn. Heidelberger Wissenschaftler des European Molecular Biology Laboratory haben an Nervenzellen kürzlich gefunden, dass die Umwandlung von Plasminogen in Plasmin genau dort stattfindet, wo auch das normale Prion PrPC liegt. Die infektiöse Form PrPSc könnte hier Plasminogen binden und damit die Umwandlung in Plasmin verhindern – mit den bekannten fatalen Folgen für das Gehirn.

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