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News: Das Gedächtnis des Aluminiums

Zwei Dinge können einen metallischen Supraleiter zurück in das Reich der gewöhnlichen Leiter holen: steigende Temperaturen oder ein starkes Magnetfeld. Doch ausgerechnet Experimente mit dem gut untersuchten Element Aluminium wirbeln das einfache Bild etwas durcheinander. Bei einer bestimmten Ausrichtung des Magnetfeldes hängt die Höhe der Sprungtemperatur nämlich davon ab, ob die Probe schon supraleitend ist oder noch werden soll - das Aluminium 'kennt' sozusagen seine Vergangenheit. Auch wenn noch kein Wissenschaftler weiß, wie diese Information gespeichert wird.
Um einen kalten Supraleiter wieder in einen Zustand mit normaler elektrischer Leitfähigkeit zu überführen, kann man ihn entweder erwärmen oder ihn in ein starkes Magnetfeld bringen. Üblicherweise verlaufen die Feldlinien bei der Methode mit dem Magneten senkrecht zu der Metallfolie, die untersucht werden soll. Nur "um zu sehen, was passiert" legten Philip Adams und seine Kollegen von der Louisiana State University in Baton Rouge das Feld vor ein paar Jahren mal parallel zu der Folie an. Und ausgerechnet bei Experimenten mit Aluminium, dessen Supraleitfähigkeit man gut zu kennen glaubte, erlebten sie damit einige Überraschungen (Physical Review Letters vom 1. November 1999, Abstract).

Die Forscher stellten fest, daß bei 30 Millikelvin ein Magnetfeld von 5,9 Tesla den Zustand der Supraleitung zerstört. Um den Vorgang rückgängig zu machen, mußten sie die Feldstärke jedoch auf 5,6 Tesla zurücknehmen. Es gibt also nicht eine einzige sogenannte kritische Feldstärke, sondern derer zwei. Je nachdem, in welchem Zustand sich das Aluminium befindet, muß die niedrigere Marke unterschritten oder der höhere Wert überschritten werden. Ein entsprechendes Ergebnis beobachteten die Wissenschaftler, als sie bei konstantem Magnetfeld die Temperatur variierten.

Derartige Effekte werden als Hysterese bezeichnet. Sie ist ein typisches Anzeichen dafür, daß ein System sich außerhalb seines Gleichgewichts befindet und nicht den energetisch niedrigsten Zustand einnehmen kann. Ein klassisches Beispiel ist extrem reines Wasser, das bei Unterkühlung nicht gefrieren kann, da die winzigen Verunreinigungen fehlen, die sonst als Kristallationskeime dienen. Doch Adams fragt sich, was einen Supraleiter davon abhält, die Zustände einfach zu wechseln. Innerhalb einer Übergangszone war die Aluminiumfolie entweder supraleitend oder nicht – je nachdem, was sie vorher gewesen war. Die Hysterese war so ausgeprägt und stabil, daß die Forscher von einem regelrechten "Zustandsgedächtnis" sprechen.

Am meisten gerieten Adams und seine Kollegen ins Staunen, als sie die Probe bei 5,65 Tesla von 30 Millikelvin an langsam erwärmten. Handelte es sich zunächst um ganz gewöhnliches Aluminium, so wurde es bei ungefähr 100 Millikelvin supraleitend und dann bei etwa 500 Millikelvin wieder "normal".

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