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News: Der Regen entscheidet

Pflanzen brauchen Kohlendioxid, und je mehr sie davon haben, desto besser wachsen sie. Darin sind sie jedoch unterschiedlich effizient. Die steigenden Konzentrationen des Treibhausgases könnten also die Zusammensetzung der pflanzlichen Lebensgemeinschaften kräftig verschieben. Doch offenbar entscheidet gar nicht so sehr der Gehalt an Kohlendioxid, wie sich die Pflanzendecke zusammensetzt, sondern das lokale Niederschlagsmuster. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse von Sedimentbohrkernen aus zwei mittelamerikanischen Seen.
Die Welt wird wärmer – daran herrscht kaum noch Zweifel. Stetig steigende Konzentrationen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid machen aus unserem Planeten eine Klimakammer, über deren zukünftige Umweltbedingungen wir nur spekulieren können. Um wieviel Grad werden die Temperaturen steigen? Wie werden sich die Niederschlagsmuster verändern? Und wie wird sich die gesamte Lebewelt – einschließlich des Menschen – daran anpassen?

Wer in die Zukunft blicken will, findet erste Antworten in der Vergangenheit. Die Spuren vergangener Klimaveränderungen sind gut konserviert – in den Sedimenten und Eisschichten der letzten Jahrmillionen. Bohrkerne berichten Schicht für Schicht, wie feucht oder trocken, kalt oder warm es in der jeweiligen Epoche war. Die Verhältnisse verschiedener Isotope geben Aufschluss, wie sich die damalige Atmosphäre zusammensetzte: Ein sauber geordnetes Klimaarchiv, aus dem Forscher die Umweltbedingungen rekonstruieren können. Sie sind Vorbild für die Simulationen des Klimas der Zukunft.

Wissenschaftler um Yongsong Huang von der Brown University haben ein solches Klimaarchiv genauer untersucht. Sie analysierten die Kohlenstoffisotope in Sedimentbohrkernen aus zwei Seen, einer in Nord-Mexiko, der andere in Nord-Guatemala. Insgesamt betrachteten sie die Zeitspanne der letzten 21 000 Jahre. Die Forscher konzentrierten sich auf die Überreste pflanzlicher Wachse, um verschiedene Pflanzengruppen voneinander trennen zu können. Denn im Laufe der Evolution entwickelten sich mehrere Wege der Photosynthese, mit denen sich die Organismen besser auf die jeweiligen Umweltbedingungen ihres Lebensraumes einstellen konnten.

Grundsätzlich unterscheidet man C3- und C4-Pflanzen, je nachdem, ob sie mit dem fixierten Kohlendioxid ein Molekül aus drei oder vier C-Atomen aufbauen. Während C3-Pflanzen vor allem in den gemäßigten Zonen auftreten, finden sich C4-Pflanzen – vorwiegend Gräser und Kräuter – in den Grasländern der wärmeren Regionen. Da sie mit ihrem Syntheseweg das atmosphärische Kohlendioxid effizienter nutzen können, sind sie bei niedrigen Konzentrationen des Gases im Vorteil. So gehen Forscher auch davon aus, dass dieser alternative Photosyntheseweg zu einer Zeit entstand, als die CO2-Gehalte deutlich niedriger lagen. Bei höheren Werten werden sie hingegen von den C3-Pflanzen übertrumpft.

Wie die Wissenschaftler herausfanden, entwickelten sich die Umweltbedingungen in den beiden Untersuchungsgebieten in den letzten 20 000 Jahren entgegengesetzt: An dem mexikanischen See herrschte zur Zeit des Maximums der letzten Eiszeit feuchtes Klima. Trotz der damals für C4-Pflanzen förderlichen niedrigeren Kohlendioxidgehalte treten daher vorwiegend C3-Pflanzen auf. Danach wurden die Verhältnisse zunehmend trockener und der Anteil von C4-Pflanzen stieg an.

In Guatemala jedoch folgten auf trockene Verhältnisse zunehmend niederschlagsreichere Zeiten. Dementsprechend setzten sich hier zunächst die C4-Pflanzen durch – obwohl sie keine Freunde derart niedriger Temperaturen sind. Als diese anstiegen, nutzte ihnen das wenig: Die verstärkten Niederschläge verhalfen nun den C3-Pflanzen zum Durchbruch, die auch heute noch die Ufer säumen.

Es ist also nicht der Gehalt an Kohlendioxid allein, der die Verbreitung der beiden Pflanzengruppen bestimmt. Viel entscheidender, zumindest in diesem Fall, waren lokale Niederschlagsmuster. Wieder einmal zeigt sich damit, dass die Vorhersage der zukünftigen Vegetation eine komplizierte Angelegenheit ist, in der viele Faktoren mitspielen, die sich gegenseitig verstärken oder auslöschen.

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