Direkt zum Inhalt

News: Der Türöffner für HIV

Fieberhaft suchen Wissenschaftler nach Mitteln, mit denen sie Viren im Körper bekämpfen können. Und obwohl einige der Erreger schon sehr gut untersucht sind, fällt die Erfolgsquote doch noch recht gering aus. Jetzt haben Forscher ein Protein entdeckt, das offenbar eine entscheidende Rolle dabei spielt, dass Retroviren wie HIV ihre Wirtszelle verlassen und in andere Zellen eindringen können. Ein Medikament ist nach ihrer Ansicht aber noch ferne Zukunftsmusik.
Der wahrscheinlich bekannteste Vertreter aus der Gruppe der Retroviren ist das HI-Virus, das die Immunschwächekrankheit Aids auslösen kann. Die meisten anderen Angehörigen dieser Verwandtschaft befallen ebenfalls Wirbeltiere wie Vögel, Reptilien, Katzen oder Affen.

Wie jedes Virus benutzen auch Retroviren den Stoffwechsel ihrer Wirtszelle, um sich selbst zu vermehren. Die noch nicht vollständig ausgereiften Virionen sammeln sich dann an der Zellmembran an, bevor sie die Zelle verlassen. Und dafür haben sie einen ganz ausgeklügelten Mechanismus entwickelt: Sie hüllen sich in eine Blase der Membran und schleusen sich darin nach außen, ohne ihre Wirtszelle zu zerstören. Eine entscheidende Rolle dabei spielt das Protein Gag. Wie dieser Prozess im einzelnen abläuft, und welche Moleküle daran beteiligt sind, war bisher aber noch unklar.

Gleich drei Arbeitsgruppen stellen nun neue Erkenntnisse dazu vor (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 21. November 2000). Und bei allen dreht sich das Geschehen immer wieder um dasselbe Protein: Ubiquitin. Dieses winzige Molekül spielt eine wichtige Rolle beim Hausputz einer Zelle, denn es markiert Proteine, die nicht ordnungsgemäß funktionieren und darum abgebaut werden sollen. Das Ubiquitin selbst wird nicht verdaut, sondern jedes Mal zurückgewonnen, sodass es bald wieder zur Verfügung steht. Doch das ist offenbar nicht seine einzige Aufgabe. Denn wie die Forscher nachweisen konnten, geraten die Viren in Schwierigkeiten, wenn der Ubiquitin-Haushalt gestört ist.

Das Team um Ulrich Schubert am Laboratory of Viral Diseases des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) hemmte in T-Zellen die Markierung von Proteinen mit Ubiquitin. HI-Viren aus diesen Zellen konnten daraufhin ihren Wirt zwar noch verlassen, aber auf der Außenseite gelang es ihnen nicht, sich von der Membran zu lösen – sie blieben an der Zelloberfläche hängen. Und selbst wenn sie sich freimachen konnten, reiften sie nicht richtig heran, was sie weniger infektiös machte (Abstract).

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Akash Patnaik und John Wills von der School of Medicine der Penn State University. Sie erforschten die Knospung von Rous-Sarcoma-Viren, die bei Vögeln Leukose verursachen. Auch hier stellte sich heraus, dass sich die Erreger aus Zellen mit niedrigen Ubiquitin-Gehalten deutlich schlechter von der Zelloberfläche lösen konnten (Abstract).

Die Forscher um Heinrich Göttlinger vom Dana-Farber Cancer Institute und der Harvard University schließlich fanden heraus, dass etwa die Hälfte der Gag-Proteine in einem HIV-ähnlichen Partikel an ein oder mehrere Ubiquitin-Moleküle gebunden war. Wenn die Wissenschaftler aber verhinderten, dass Ubiquitin an Proteine binden kann, dann verringerte sich auch die Zahl der mit Ubiquitin versehenen Gag-Proteine. Und der Prozess lief auch nur dann ab, wenn das konstruierte Virus-ähnliche Partikel eine so genannte late domain enthielt – eine Gruppe von Aminosäuren in seinem Kern, die besonders viel Prolin enthält (Abstract).

Jonathan Yewdell vom NIAID warnt jedoch vor verfrühten Hoffnungen auf eine Medikament gegen die Viren, das bei Ubiquitin angreift. Denn wenn eine Zelle daran gehindert wird, fehlerhafte Proteine zu entsorgen, hätte das weitreichende Nebenwirkungen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.