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Super-Eiszeit: Die letzte Zuflucht des Lebens

Einst war nahezu der ganze Planet eine Eiswüste, und die Ozeane enthielten fast keinen Sauerstoff. Wo und wie überlebten die frühen Tiere in dieser Frosthölle?
Eine künstlerische Impression der komplett vergletscherten Erde im All

Die Erde vor etwa 700 Millionen Jahren: Die schwerste Vereisungsperiode in der Geschichte des Planeten hat Land und Meer gleichermaßen zu Wüsten gemacht. Auf den Kontinenten herrschen Frost und Dürre, in die weitgehend zugefrorenen Ozeane gelangte kaum Sauerstoff – Letzteres zeigen Isotopendaten aus Gesteinen jener Zeit. Gleichzeitig allerdings blühte in diesem als Cryogenium bezeichneten Zeitabschnitt, auch das zeigen Versteinerungen, das erste komplexe Leben, weltweit bildeten schwammartige Organismen Riffe, die ohne Sauerstoff nicht hätten existieren können. Nun macht eine Arbeitsgruppe um Maxwell A. Lechte von der University of Melbourne einen überraschenden Vorschlag, wie das lebensspendende Gas ins Meer gelangte. Nach ihrer nun in »PNAS« veröffentlichten Analyse machte Schmelzwasser der kontinentalen Gletscher komplexes Leben im Meer möglich – ausgerechnet dort, wo sich die dicksten Eisschelfe von der Küste ins Meer erstreckten, lieferte das Eis kontinuierlich Sauerstoff nach.

Ob das Meer im Cryogenium tatsächlich praktisch komplett vereist und frei von Sauerstoff war, ist umstritten. Nur wenige Gesteine aus jener Zeit geben Aufschluss über den Zustand der Ozeane, und was sie verraten, ist keineswegs eindeutig. Die Gruppe um Lechte basiert ihr Szenario auf neun Gesteinsabfolgen auf drei Kontinenten, die eisenhaltige Schichten enthalten. Deren Gehalt am Seltenerdelement Cer sowie das Verhältnis der Eisenisotopen verraten, wie viel Sauerstoff im Wasser gelöst war. Demnach seien die Meere fern vom Land extrem arm an Sauerstoff gewesen. Je näher allerdings die Sedimente einst an den Eisschelfen lagen, desto mehr Sauerstoff zeigen sie an – am Fuße der kontinentalen Eismassen könnte einst tierisches Leben seine letzte Zuflucht gefunden haben.

Die »Sauerstoffpumpe« der Gletscher basierte auf Gasblasen, die zwischen den Eisschichten eingeschlossen wurden und schließlich in das Schmelzwasser an der Sohle des Gletschers abgegeben wurden, so die Hypothese des Teams. Das Gas ließ die Organismen des Cryogeniums nicht nur atmen, sondern sorgte womöglich auch für einen reich gedeckten Tisch: An der Grenze zwischen sauerstoffreichem Schmelzwasser und dem eisenreichen Meerwasser seien die Bedingungen ideal gewesen, um Bakterien zu ernähren, die ihre Energie aus Reaktionen mit Eisen gewannen. Zum Glück, denn fotosynthetische Algen gab es in der lichtlosen Zone unter dem Gletscher sicher nicht.

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