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News: Ein geklauter Schild schützt auch

In einem Virus, das die Haut von Menschen mit geschwächtem Immunsystem befällt, wurde ein Gen entdeckt, mit dessen Hilfe sich der Krankheitserreger möglicherweise gegen ultraviolette Strahlung und das menschliche Immunsystem schützen kann. Eventuell stammt dieses Gen ursprünglich vom Menschen, in dessen Zellen das zugehörige Protein vorkommt, während andere Viren nichts Vergleichbares besitzen.
Das molluscum contagiosum virus (MCV) verursacht eine hartnäckige und manchmal verunstaltende Hauterkrankung, die unter HIV-Infizierten und anderen Menschen mit geschwächtem Immunsystem verbreitet ist. In seinem Erbmaterial haben Wissenschaftler ein Gen gefunden, das dem menschlichen Gen für die Glutathion-Peroxidase sehr ähnelt. Dieses Enzym neutralisiert gefährliche Chemikalien, sogenannte Peroxide, die von Zellen des Immunsystems gebildet werden, um Infektionen zu bekämpfen.

Bernard Moss vom Laboratory of Viral Diseases (LVD) und seine Kollegen von der gleichen Forschungseinrichtung und dem Harvard Institutes of Medicine berichten in Science vom 2. Januar 1998, daß das virale Gen genau wie sein menschliches Gegenstück für ein Protein codiert, das Selen enthält. Dieses Element kommt nur selten in Proteinen vor, von denen bisher kein einziges in Viren gefunden wurde.

Kulturen von menschlichen Zellen, in welche die Forscher das MCV-Gen gebracht haben, waren weitgehend gegen UV-Licht und Peroxide geschützt. Normalerweise hätten die Strahlung und die Chemikalien zum Zelltod führen sollen.

Doch nach Meinung von Moss ist es zu früh, definitive Aussagen über die wirkliche Rolle des Selenoproteins innerhalb des Virus zu machen. Da für MCV-Infektionen kein geeignetes Tiermodell zur Verfügung steht und das Virus in Gewebskulturen nicht wächst, sind entsprechende Informationen nur schwer zu erhalten. Die Wissenschaftler spekulieren daher nur, daß MCV das Selenoprotein-Gen aus humanen Hautzellen „geraubt“ hat, um sich selbst gegen Strahlung und das Immunsystem zu schützen. Da die Basensequenzen des viralen und humanen Gens zu fast 75 Prozent identisch sind, glauben Moss und seine Mitarbeiter, daß MCV das Gen erst vor kurzer Zeit erworben hat. Die übrigen Gene des Virus sind nur zu 20 bis 25 Prozent identisch zu den entsprechenden menschlichen Gegenstücken.

„Das wäre ein cleverer Trick für ein Virus, das sich in der Epidermis vermehrt“, meint Moss. Und er fügt hinzu, daß die Ergebnisse nicht nur unser Verständnis der Wechselwirkung zwischen Virus und Mensch erweitern, sondern auch wertvolle Einblicke in die Arbeitsweise der menschlichen Glutathion-Peroxidase liefern könnten.

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