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News: Ein kostengünstiger Blick in die Winzigkeit

Einblick in Strukturen im Bereich von Nanometern wird auch in kleineren Laboratorien und Schulen möglich - dank einem kostengünstigen Rasterkraftmikroskop, das im IBM Forschungslaboratorium Zürich konzipiert und gemeinsam mit der japanischen Firma Seiko Instruments Inc. (SII) entwickelt wurde. SII hat nun die Serienfabrikation aufgenommen und bietet das neue Instrument vorerst auf dem japanischen Markt an.
Noch bevor der IBM Wissenschaftler Gernd Binnig 1986 für die Erfindung des Rastertunnelmikroskops (RTM) den Nobelpreis für Physik in Empfang nehmen durfte – zusammen mit Forscherkollege Heinrich Rohrer –, hatte er bereits eine weitere, nicht minder bedeutsame Variante zum Patent angemeldet: das Rasterkraftmikroskop (RKM).

Wie das RTM kann dieses Instrument durch Abrastern einer Oberfläche mit einer feinen Spitze das Höhenprofil einer Probe abbilden – im besten Fall mit so hoher Auflösung, daß die Lage einzelner Atome erkennbar wird. Im Gegensatz zum RTM, dessen Funktion von einem zwischen Spitze und Probe "tunnelnden" Strom und damit von der Leitfähigkeit der Probe abhängt, können mit dem RKM auch schlecht oder gar nicht leitende Proben untersucht werden, was es wesentlich breiter einsetzbar macht. Zahlreiche Firmen und Laboratorien verwenden es bereits, die Anschaffungskosten waren bisher allerdings relativ hoch, in der Größenordnung von 100 000 Dollar.

Dies ändert sich nun mit einer sehr viel kostengünstigeren, aber genauso leistungsfähigen Version, die von einem Team im IBM Forschungslaboratorium Zürich entwickelt und von Seiko Instruments zur Serienreife gebracht wurde. SII stellt das als "Nanopics" bezeichnete Gerät in Lizenz her und bringt es in der Grundversion für weniger als ein Drittel des Preises von bisherigen Kraftmikroskopen auf den Markt. Dies dürfte seine Anschaffung auch für weniger hoch dotierte Laboratorien in Industrie, Forschung und Ausbildung erschwinglich machen.

Neben dem günstigen Preis wurden einfache Installation und Handhabung als wesentliche Voraussetzungen für eine breite Anwendung ebenso von Anfang an in die Entwicklung miteinbezogen. "Wir wollten ein Instrument schaffen, das High-Tech aus unserem Labor möglichst breiten Kreisen zugänglich macht", sagt Gerd Binnig. "Aus der Zusammenarbeit mit SII ist nun ein Mikroskop entstanden, das zu einer Standardausrüstung in zahlreichen Laboratorien werden kann und beispielsweise auch Jugendlichen ohne großen Schulungsaufwand ermöglicht, eigenen Einblick in kleinste Details der Natur zu gewinnen."

Andere Mikroskoptypen werden ihre Bededutung beibehalten, je nach Art der zu untersuchenden Proben kann aber das neue Kraftmikroskop ein sehr viel teureres Elektronenmikroskop in bestimmten Anwendungen nicht nur ersetzen, sondern in verschiedener Hinsicht überbieten, zum Beispiel in der industriellen Prüfung von Oberflächen.

Das erste Rasterkraftmikroskop entwickelte Gerd Binnig zusammen mit IBM-Kollege Christoph Gerber und Calvin Quate von der Stanford University (USA). Kernstück ist eine feine Spitze, die auf einem winzigen, als Cantilever bezeichneten Ausleger angebracht ist. Die von den Atomen an der Probenoberfläche auf die Spitze wirkenden Kräfte verursachen bei sehr geringem Abstand eine Verbiegung des Cantilever oder eine Veränderung in dessen Eigenfrequenz. Diese Effekte werden als Regelgrößen verwendet, um die Spitze beim Abrastern in konstantem Abstand von der Probe zu halten und so ein Abbild von der Topographie der Oberfläche zu gewinnen.

Eine ganze Reihe von technischen Innovationen ermöglichen die kostengünstige Herstellung in großen Stückzahlen wie auch eine einfache Handhabung: Kompakte Bauweise und Komponenten mit hohen Eigenfrequenzen machen das Instrument wenig empfindlich gegen Erschütterungen und stellen damit geringe Anforderungen an die Umgebung, in der das Mikroskop betrieben wird.

Völlig neuartig ist die Mechanik für den Rasterprozeß. Statt Piezoelementen wie in bisherigen Rastermikroskopen übernimmt sehr kostengünstige Lautsprechertechnik die Bewegung der Mikroskopspitze. Ein raffinierter Mechanismus ermöglicht es, mit dem Messkopf Wegstrecken sehr unterschiedlicher Länge auszuführen, sei es für die Grobannäherung über 4 – 5 Millimeter, die Feineinstellung über einen Bereich von 20 Mikrometern oder für das Abrastern von Flächen über eine Länge von 500 Nanometern bis zu 0,8 Millimetern. Da im Gegensatz zu den meisten herkömmlichen Kraftmikroskopen beim Rastervorgang nicht die Probe, sondern ausschließlich der Messkopf bewegt wird, läßt sich das Instrument auch an großen Objekten anwenden, indem der Messkopf auf die Probe aufgesetzt wird.

Die Verbiegung des Cantilevers läßt sich mittels integrierter Sensoren messen. Diese Methode ersetzt die in den meisten Kraftmikroskopen als Meßgröße verwendete Position eines Laserstrahls, der vom Cantilever reflektiert wird, oder noch aufwendigere Laser-Interferometrie.

In der Grundausführung liefert die Messelektronik von "Nanopics" ein farbiges Videobild – die Farben können verschiedene Eigenschaften wie Topographie oder Härte einer Oberfläche repräsentieren – in Fernsehqualität mit 512 x 512 Pixeln. Das Resultat kann somit auf einem beliebigen Fernsehbildschirm ausgegeben und auf einem gewöhnlichen Videoband gespeichert werden. Dies erübrigt aufwendige digitale Bildspeicherung, die aber als Option verfügbar ist. Weitere Optionen sind höhere Bildauflösung und Steuerung des Instrumentes via Computer. Die maximale Auflösung im Bereich von wenigen Nanometern läßt sich mit der relativ einfachen Bildverarbeitung der Grundausstattung bei einer Rasterlänge bis zu einem halben Mikrometer erreichen.

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