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News: Ein künstliches Vermächtnis

Aus verschiedenen Gründen kann es wünschenswert sein, neue Gene in einen Organismus zu bringen. Diese können dann entweder in normale Körperzellen geschleust werden oder aber in die Keimzellen. Erfolgt der Eingriff an den Keimzellen, dann werden die Eigenschaften auch an die Nachkommen weitergegeben. Zum ersten Mal wurde jetzt nicht nur eine Gensequenz, sondern ein ganzes, künstlich erzeugtes Chromosom in einem Säugetier erfolgreich in Mäuse verpflanzt und von denen auf die natürlichste Art und Weise weitervererbt.
In Versuchen an Mäusen gelang es den Wissenschaftlern von Chromos Molecular Systems Inc. in Kanada, ein künstlich hergestelltes Chromosom erfolgreich so in die Fortpflanzungszellen der Tiere zu bringen, daß es auch an die Nachkommen vererbt wurde. Eileen Utterson, Vizepräsidentin des Corporate Development, stellte die vorläufigen Ergebnisse am 19. Oktober 1999 auf der Konferenz BioPartnering Europe in London vor. Wie sie weiterhin anführte, will die Firma diese Methode nicht für Keimbahntherapie beim Menschen einsetzen, sondern damit transgene Tiere entwickeln, deren Milch Pharmazeutika enthalten soll.

In der Regel werden transgene Organismen durch eine Injektion von Genen in eine frisch befruchtete Eizelle erzeugt. Wenn alles nach Wunsch verläuft, enthält danach jede Körper- und auch jede Keimzelle des sich entwickelnden Lebewesens diese Gene. Daher wird die neue genetische Information auch an die Nachkommen vererbt.

Allerdings werden die Gene sehr häufig nicht in das Genom des Embryos aufgenommen. Und falls doch, so bleibt immer noch die Unsicherheit, ob sie an der richtigen Stelle eingebaut wurden, denn die Gene setzen sich rein willkürlich in irgendwelche Abschnitte des Chromosoms. Dort arbeiten sie womöglich nicht richtig oder richten sogar noch größeren Schaden wie zum Beispiel Mißbildungen an.

Das ist auch der Grund dafür, warum beim Menschen die Keimbahntherapie – also ein derartiger Eingriff in die Keimzellen – bisher praktisch tabu ist, während in Tierversuchen solche Fehler toleriert werden. Beim Menschen werden bisher bei der sogenannten somatischen Gentherapie über verschiedene Transportmittel wie zum Beispiel genetisch veränderte Viren die gewünschten Gene in Körperzellen eingebracht. Diese Veränderung des Erbgutes kann nicht an die Kinder weitergegeben werden, da die Keimzellen unbeeinflußt bleiben.

Der neue Ansatz könnte nach Ansicht der Forscher die Keimbahntherapie sicherer machen. Die Gene könnten über ein zusätzliches Chromosom in den Embryo gebracht werden, ohne daß sie mit dem Rest des Genoms wechselwirken. "Da das künstliche Chromosom abgesondert ist, kommt es nicht mit der zelleigenen Genmaschinerie ins Gehege", meint Utterson.

Die Wissenschaftler hatten Zellproben genommen und mit einem floureszierenden Farbstoff versehen. So konnten sie verfolgen, welche Zellen das zusätzliche Chromosom erfolgreich aufgenommen hatten. Als sie die Mäuse mit dem künstlichen Chromosom mit normalen Mäusen kreuzten, wurde es wie die natürlichen Chromosomen an die Nachkommen vererbt.

Obwohl auch Utterson diese Möglichkeiten sieht, betont sie, daß Chromos nicht die Absicht habe, ihre Ergebnisse für Keimbahntherapie einzusetzen. Norman Nevin vom Belfast City Hospital geht aber davon aus, daß die neuen Erkenntnisse die Diskussion um Gentherapie an Keimzellen weiter anheizen wird.

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