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News: Ein vorbildliches Leben

Warum bricht im Tierreich eine stabile Lebensgemeinschaft plötzlich zusammen, während eine andere unter ganz ähnlichen Bedingungen wächst und gedeiht? Eine Frage, die Ökologen schon lange beschäftigt. Im Fall wilder Schafe - und vielleicht auch anderer großer Huftiere - bestimmt die Alters- und Geschlechtsstruktur, wie die Lebensgemeinschaften auf Populationsdichte und Wetter reagieren.
Die Soay-Schafe von St. Kilda, abgelegenen, unbewohnten Inseln vor Schottland, führen ein wildes Leben. Wind und Wetter fordern ihre Opfer genauso wie parasitische Fadenwürmer, welche die Tiere verhungern lassen. Doch natürlich gibt es auch jährlichen Nachwuchs, der die Lücken in der Lebensgemeinschaft wieder auffüllt.

Und doch schwankt die Größe der Populationen von Jahr zu Jahr sehr stark und unregelmäßig. Schon länger versuchen Forscher, diese Dynamik mit einem Modell zu beschreiben, um so auch die weitere Entwicklung abzuschätzen. Aber die bisherigen Ansätze erklärten nur etwa 20 Prozent der Varianz – die entscheidenden Faktoren und Zusammenhänge fehlten also noch. Auch Tim Coulson von der Cambridge University und seine Kollegen nahmen sich diesen Problems an. Sie werteten die Daten einer Langzeitstudie aus, für die sie über elf Jahre hinweg verschiedene Parameter, wie Alters- und Geschlechtsstruktur, aufgezeichnet hatten. Insgesamt sammelten sie damit Informationen über 3000 wilde Schafe.

Als sie ihre Computer nun mit all diesen Zahlen fütterten und dabei nach Geschlecht und Alter differenzierten, stellten sie eine ganze Reihe von statistischen Zusammenhängen fest. So war beispielsweise die Populationsdichte negativ mit der Überlebensrate von Lämmern und Weibchen älter als sechs Jahren korreliert, sie wirkte sich aber nicht auf das Überleben einjähriger Weibchen aus. Weiterhin hing die Überlebensrate von Lämmern beiderlei Geschlechts sowie Böcken jeden Alters vom Wetter während des Winters ab, während die für Jährlinge und jungen Weibchen bis sechs Jahre vor allem von den Niederschlägen am Ende des Winters beeinflusst wurde. Die Populationsdichte und die Klimabedingungen wirkten dabei auch noch zusammen, sodass schlechte Witterungsbedingungen bei hohen Dichten die Überlebenschancen weiter minderten.

Die Wissenschaftler erstellten daher ein neues Modell, in das sie die Daten über Alters- und Geschlechtsstruktur einbezogen. Und dieses gab nun auch tatsächlich die Populationsentwicklung treffender wieder als die bisherigen Berechnungen. Starteten sie mit einer einheitlichen Populationsgröße und identischen Wetterbedingungen, aber unterschiedlichen Populationsstrukturen, so entwickelten sich die Lebensgemeinschaften ganz unterschiedlich. Je größer der Anteil der Lämmer und älteren Weibchen war – also denjenigen, die am stärksten auf Dichtestress reagieren –, desto wahrscheinlicher fiel die Populationsgröße rapide ab. Derselbe Effekt zeigte sich, wenn viele wetteranfällige Tiere, also Lämmer, Männchen und ältere Weibchen, zur Ausgangspopulation gehörten.

Coulson und seine Mitarbeiter betonen daher, dass jeder Versuch, die Populationsentwicklung bestimmter Lebensgemeinschaften zu bestimmen, gerade auch im Hinblick auf die Auswirkungen der Klimaveränderung, die Alters- und Geschlechtsstruktur der Gemeinschaft berücksichtigen muss. Und die Simulationen können nach Ansicht der Forscher als Vorbild für viele Lebensgemeinschaften großer Huftiere gelten, die ähnlich starke und scheinbar unvorsehbare Populationsschwankungen durchlaufen.

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  • Quellen
Science 292: 1528–1531 (2001)
Science 292: 1499–1500 (2001)

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