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News: Eingefrorener Tanz der Chromosomen

Zellen müssen ständig auf der Hut sein, damit sich bei dem heiklen Teilungsprozess keine verhängnisvollen Fehler einschleichen: Mehrere hintereinandergeschaltete Kontrollpunkte unterziehen deshalb die einzelnen Schritte einer Prüfung und gewährleisten somit den reibungslosen Ablauf. Offensichtlich fungiert auch ein Netzwerk aus Aktin-Molekülen als Wächter und gibt erst dann grünes Licht für die gerechte Aufteilung der Chromosomen, wenn die für den Prozess entscheidenden Spindelfasern ordnungsgemäß ausgerichtet sind.
Im Vorfeld einer Teilung muss die Zelle zunächst einmal eine haargenaue Kopie ihrer gesamten Erbinformation erstellen, die in Form von einzelnen Chromosomen vorliegt. Erst dann kann sie den eigentlichen Verdopplungsvorgang einläuten: Die Chromosomenpärchen beziehen in der Äquatorebene der Zelle Stellung und wandern von dort aus je zur Hälfte in Richtung des einen beziehungsweise des entgegengesetzten Pols. Für den "Tanz" der Chromosomen zu den Zellenden ist die so genannte Kernspindel verantwortlich. Ihre aus Proteinröhren bestehenden Fasern treten an speziellen Haftungspunkten, den Kinetochoren, mit den Erbfäden in Kontakt und zerren die beiden Schwesterhälften auseinander.

Die korrekte Aufteilung der Erbinformation ist das A und O einer erfolgreichen Zellteilung. Doch auf dem Weg dahin lauern vielerlei tödliche Gefahren, die es zu Umschiffen gilt. Ist beispielsweise die Kernspindel nicht korrekt positioniert, so kann sie die Chromosomen bei der Aufteilung auf die Tochterzellen durcheinander bringen. Aus diesem Grund hat die Zelle vorsorglich diverse Kontrollpunkte eingebaut, die den ordnungsgemäßen Ablauf der Teilungsschritte überwachen.

Nun kamen Jonathan Millar und seine Kollegen vom National Institute of Medical Research einem weiteren Prüfmechanismus auf die Schliche. Denn als die Forscher Hefezellen (Schizosaccharomyces pombe) mit Substanzen behandelten, welche Aktin-Bausteine am Zusammenschluss hindern, beobachteten sie eine verzögerte Zellteilung. Offensichtlich kontrolliert ein aus Aktin-Molekülen aufgebautes Netzwerk die Ausrichtung der Kernspindel: Die Spindelfasern kommunizieren mit dem Aktin-Gerüst, und wenn einer der beiden Partner schweigt, kommt die Zellverdopplung zum Erliegen.

"Dies ist ein sehr schönes Experiment", hebt Peter Deak von der University of Cambridge hervor. "Wir wussten, dass das Aktin-Skelett eine Rolle bei der Zellteilung spielt, aber wir konnten es nicht mit den existierenden Kontrollpunkten in Verbindung bringen." Aufgrund der Ähnlichkeit zwischen Hefezellen und tierischen Zellen gibt es beim Menschen vermutlich die gleiche Qualitätskontrolle.

Doch noch bleibt es das Geheimnis der Zelle, wie sie die falsche Anordnung der Kernspindel erkennt und wie deren Fasern mit den Aktin-Molekülen wechselwirken. Immerhin spürten die Forscher um Millar vermutlich bereits einige der daran beteiligten Gene und Proteine auf, indem sie mutierte Hefestämme untersuchten, die augenscheinlich "vergesslich" auf die Aktin-beeinflussenden Substanzen reagierten: Diese Zellen setzten sich offenbar über die Sicherheitskontrolle hinweg, da ihre Chromosomen wahllos mal hierhin und mal dorthin geschleppt wurden.

Die Entdeckung des bisher unbekannten Kontrollmechanismus könnte Forschern zu neuen Erkenntnissen verhelfen, warum einige Zellen zu Krebszellen entarten. Denn – so bemerkt Millar – "viele aggressive menschliche Tumorzellen weisen eine abweichende Chromosomenzahl auf." Möglicherweise beeinflusst dieses Sicherheitsnetz zudem die Spezialisierung von Zellen, die nach der Teilung ungleichmäßig viele Chromosomen enthalten. "Diese Asymmetrie ist sehr wichtig in der Entwicklung", betont Deak.

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