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News: Einseitige Gruppendynamik

Wie Bild und Spiegelbild verhalten sich D- und L-Aminosäuren. Obwohl sie chemisch identisch sind, bevorzugt die Natur die L-Form. Warum diese Einseitigkeit? Stabile Cluster aus der Aminosäure Serin könnten hierbei einst wichtige Starthilfe geleistet haben.
Serin-Oktamer
Spätestens seit einer einschlägigen Joghurt-Werbung wissen wir, dass es von vielen biologischen Molekülen "rechte" und "linke" Varianten gibt, die sich in ihrem Aufbau wie Bild und Spiegelbild verhalten. In der Tat kommen die wichtigen Bausteine des Lebens fast ausschließlich in einer der beiden Formen vor: Während in Proteinen nur L-Aminosäuren zu finden sind (laevus, lat.: links), zieht die Natur bei den Zuckern die D-Form vor (dexter, lat.: rechts). Wie kommt es, dass bei der Entstehung des Lebens diese klaren Präferenzen für Bild oder Spiegelbild entstanden sind?

Viele Forscher haben den Verdacht, dass Serin, das zu den einfachen Aminosäuren gehört, hierbei eine entscheidende Rolle gespielt haben könnte. Denn das Molekül zeichnet sich gegenüber anderen Aminosäuren durch besondere Eigenschaften aus. So bildet es ungewöhnlich stabile Cluster aus acht Serin-Molekülen. Und das Besondere an diesen Oktameren: Sie enthalten ausschließlich D- oder L-Serin – sie sind homochiral (cheir, griech.: Hand).

Die Arbeitsgruppe von Graham Cooks von der Purdue University hatte bereits herausgefunden, dass in diesen homochiralen Serin-Clustern auch andere Aminosäuren eingebaut werden – ebenfalls nur in der passenden Form. Die Forscher untersuchten nun, ob Serin auch mit anderen Schlüsselverbindungen Cluster bildet.

Dies war tatsächlich der Fall, und zwar mit Glycerinaldehyd. Eine Reaktion zwischen diesem einfachsten Zucker und Serin ergab ein Produkt, das in ein Serin-Oktamer eingebaut werden konnte. Dabei nahmen die L-Oktamere ausschließlich Verbindungen aus L-Aminosäure und D-Zucker auf.

Aber auch ohne vorherige Reaktion bildeten sich gemeinsame Cluster: aus je sechs Serin- und sechs Glycerinaldehyd-Molekülen. Dabei verbanden sich je zwei Glycerinaldehyd-Moleküle, die als C3-Zucker aus drei Kohlenstoffatomen bestehen, zu einem C6-Zucker. Ähnliches könnte sich auch, so vermuten die Forscher, in der "Ursuppe" bei der Entstehung des Lebens zugetragen haben. Auch die Tatsache, dass die Serin-Cluster mit Phosphorsäure sowie mit Übergangsmetallionen wie Kupfer und Eisen reagieren, deutet auf mögliche präbiotische Phosphorylierungen und Oxidationen hin.

Bereits unter milden Bedingungen kann Serin zwischen seiner D- und L-Form wechseln. Daher könnte, so spekulieren die Forscher weiter, unter dem Einfluss von polarisiertem Licht, einer wirbelartigen Bewegung oder eines Magnetfeldes die ursprüngliche Gleichverteilung zwischen den beiden Formen zu Gunsten von L-Serin verschoben worden sein.

"In hochkonzentrierten Tröpfchen könnten sich dann L-Oktamere und höhere Cluster gebildet haben, die zu einer Akkumulation von weiteren L-Aminosäuren und D-Zuckern geführt haben", vermutet Cooks. "Sie könnten auch der Ort für wichtige präbiotische Reaktionen gewesen sein."

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