Direkt zum Inhalt

News: Eisige Meere und tropische Gletscher

Eines steht fest, gegen Ende des Präkambriums waren selbst die Äquator-nahen Regionen vereist. Wie konnte es zu diesem "Schneeball-Erde"-Szenario kommen? Waren die Ozeane wirklich dauerhaft zugefroren? Hätte es dann aber überhaupt noch regnen können? Und wie wurden die marinen Lebewesen mit einer solchen Eiszeit fertig? Fragen über Fragen, denen Forscher erneut mit einem Klimamodell auf den Grund gingen.
Vor 600 bis 700 Millionen Jahren, als das Präkambrium zu Ende ging, war die Erde kalt. So kalt, dass selbst die Tropen von Gletschern und Inlandeismassen bedeckt waren. Joseph Kirschvink vom California Institute of Technology und seine Kollegen prägten für diese vielleicht grimmigste Eiszeit der Erdgeschichte 1992 den Begriff vom "Schneeball Erde". Für die noch einfache Lebewelt waren dies schwere Zeiten, denn die marinen Ökosysteme der Mikroben, Algen und anderen einfachen Lebensformen der damaligen Zeit waren offenbar gänzlich zugefroren.

Doch war dies überhaupt möglich? Konnten die Ozeane weltweit vollständig zufrieren? Und wäre dann noch genug Wasser verdunstet, um die tropischen Gletscher zu nähren? Hätten die frühen Lebensformen der Erde dies überleben können? Fragen, die ständiger Anlass neuer Diskussionen sind; dass es jene tropischen Gletscher gab, die - anders als die heutigen, spärlichen Reste in den Anden oder auf dem Kilimandscharo - bis auf das Meeresspiegelniveau reichten, daran zweifelt jedoch kaum jemand. Schließlich lassen sich versteinerte Moränen und Geschiebelehme aus jener Zeit bis heute weltweit nachweisen.

Derlei Fragen kann man nur mithilfe von Computersimulationen auf den Grund gehen, so wie David Pollard und James Kasting von der Pennsylvania State University mit ihrem GENESIS-Modell (Global Environmental and Ecological Simulation of Interactive Systems). Auf der Basis der aus zahlreichen paläomagnetischen Rekonstruktionen bekannten Landmassenverteilungen vor 750 bis 540 Millionen Jahren bildeten die Forscher dieses neoproterozoische Szenario nach, an dessen Ende eine vollkommen vereiste Erde stand. Da sie aber kaum etwas über die damalige Verteilung der großen Gebirgsketten wissen, fügten Pollard und Kasting allen Kontinentalrändern Anden-ähnliche Gebirge hinzu.

Ein Großteil der Kontinente lag seinerzeit in tropischen Regionen, wo die Rate der Silikatverwitterung besonders hoch ist. Bei diesem Prozess wird Kohlendioxid gebunden und entsprechend der Atmosphäre entzogen, was schließlich zu einer raschen Abkühlung des globalen Klimas führt. Die Meere beginnen an den Polen zuzufrieren, und da hier nun mehr Sonnenenergie zurück ins All reflektiert wird, verstärkt sich die weitere Abkühlung noch. Auf diese Weise konnten die Ozeane bis in Breiten von rund 30 Grad vollständig zufrieren: vom Nordpol bis Nordafrika und vom Südpol bis Südafrika.

Bis zu diesem Zeitpunkt beobachteten die Forscher bereits, wie sich in den virtuellen Gebirgen nahe des Äquators Gletscher bildeten, doch erreichten diese niemals das Meeresniveau. Dazu war es in den Tropen immer noch viel zu warm. Allerdings ging von nun an vermutlich alles sehr schnell. Waren die Ozeane nämlich erst einmal bis in tiefe Breiten vereist, stieg die Albedo der Erde so rasch, dass es kein Zurück mehr gab und die Erde binnen kurzer Zeit vollends gefror. Sämtliche Ozeane waren nun bis zum Äquator unter einer Eisschicht verborgen.

Allerdings sanken damit auch die Niederschläge, schließlich verdunstete von den gefrorenen Meeren nur so viel, dass die Niederschläge gerade einmal einige Millimeter pro Jahr betrugen. Die Simulationen zeigen aber, dass dies auf den Kontinenten immer noch mehr war, als in gleicher Zeit verdunstete, und dass mehrere Tausend Jahre allemal Zeit genug waren, um mächtige Gletscher zu bilden.

Wenn die Meere der Erde in der Tat gänzlich zugefroren waren, blieben sie dies vermutlich einige Millionen Jahre lang - für das frühe Leben sicher eine harte Probe. Allerdings reichten die Eisdicken in vielen Regionen sicher nicht aus, um sämtliches Sonnenlicht zu blockieren. Im Umfeld vulkanischer Inseln mag es sogar eisfreie Nischen gegeben haben. Und wenn manche Forscher heute sogar in den Tiefen des vollkommen Eis-bedeckten Jupitermonds Europa Lebensformen zu finden hoffen, so dürften die anspruchslosen Organismen der noch jungen irdischen Lebewelt kaum einer, wenn auch harschen Eiszeit zum Opfer gefallen sein.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen
American Geophysical Union (AGU) 2001 Spring Meeting, Boston, 29.5.-2.6.2001

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.