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Extreme Elemente: Exotische superschwere Atomkerne entstehen natürlich

Künstlich erzeugte schwere Elemente sind womöglich doch nicht die schwersten im Universum. Selbst die schwersten bekannten Atomkerne scheinen sich im Weltall zu bilden.
Neutronensternen, Verschmelzung
Bei der Verschmelzung von Neutronensternen entstehen die schwersten Elemente im Kosmos.

Bis zu 294 Protonen und Neutronen enthalten die schwersten jemals hergestellten Elemente wie Tenness oder Oganesson. Doch selbst in ausgefeilten Kollisionsexperimenten entstanden nur wenige dieser exotischen Atomkerne, die binnen Sekundenbruchteilen zerfallen. In der Natur kommen sie nicht vor. Oder etwa doch? Ein Team um Ian U. Roederer von der University of Michigan hat jetzt in Sternspektren Indizien dafür gefunden, dass sich im Universum Atomkerne mit weit mehr als 260 Kernbausteinen bilden. Wie die Arbeitsgruppe in der Fachzeitschrift »Science« berichtet, enthalten einige sehr alte Sterne erhöhte Anteile an Elementen, und zwar durch den Zerfall solcher extrem schwerer Elemente. Das deute darauf hin, dass bei der Verschmelzung von Neutronensternen oder in Supernovae extrem schwere Elemente vom äußersten Rand des Periodensystems entstehen.

Die schwersten Elemente im Universum entstehen nicht durch normale Kernfusion, sondern durch einen als r-Prozess bezeichneten Mechanismus. Dabei fangen während einer Supernova-Explosion oder in kollidierenden Neutronensternen Elemente wie Eisen in sehr kurzer Zeit viele Neutronen ein. Einige von diesen wandeln sich per Beta-Zerfall in Protonen um und die Kerne fangen weitere Neutronen ein. So bilden sich unter sehr extremen Bedingungen Kerne mit hohen Ordnungszahlen. Doch wie die schwersten Kerne von Elementen jenseits des Urans entstehen, ist noch kaum erforscht.

In ihrer Studie untersuchte die Arbeitsgruppe Sterne, die bekanntermaßen Elemente enthalten, die beim r-Prozess entstehen. Man kann dabei berechnen, welche Elemente sich bei dem Vorgang zu welchen Anteilen bilden. Doch zwei Gruppen von Elementen sind, wie das Team schreibt, darüber hinaus häufiger, als man erwarten würde. Zum einen Ruthenium, Rhodium, Silber und Palladium mit Massenzahlen bis 110 und zum anderen eine Reihe von Elementen von Gadolinium bis Platin mit Massenzahlen bis 195. Die zusätzlichen Anteile dieser Elemente, vermuten die Fachleute um Roederer, stammen aus der Kernspaltung.

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Doch aus welchen ursprünglichen Kernen entstanden sie einst? Die Fachleute argumentieren anhand von Modellen, dass die extrem neutronenreichen schweren Elemente, die beim r-Prozess entstehen, sich asymmetrisch spalten. Das bedeutet, sie zerfallen in einen schwereren und einen leichteren Kern. Diese Spaltprodukte schließlich würden dann durch weitere Beta-Zerfälle Neutronen in Protonen umwandeln und so ihren hohen Neutronenüberschuss abbauen, ohne weiter Masse zu verlieren. Demnach entspräche die Elementgruppe um Silber den leichteren Bruchstücken, jene oberhalb von Gadolinium den schwereren. Die Masse der ursprünglich beim r-Prozess entstandenen schweren Kerne muss dann der Summe der Fragmente entsprochen haben – im Extremfall über 300, jenseits selbst der schwersten künstlich erzeugten Kerne.

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