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Evolution: Gemeinsamkeit von Mensch und blinder Höhlenfischmutante

Ein blinder, mutierter Höhlenfisch aus Afrika kann der Wissenschaft womöglich etwas über die Evolutionsgeschichte der Menschheit verraten - und vor allem über ihre dunkle Vergangenheit.
Blinder Fisch aus Höhle in Somalia

Wenn sich Fische über Jahrmillionen in der ewigen Finsternis von Höhlen entwickeln, dann können sie auf Augen gut verzichten. Ein blindes afrikanisches Exemplar hat aber weiteren nicht länger benötigten Knowhow-Ballast abgeworfen, berichten Forscher um Nicholas Foulkes vom Karlsruher Institut für Technologie nun nach Genomuntersuchungen im Magazin »Current Biology«: Die blinden Tiere können bestimmte Enzyme nicht mehr herstellen, die durch UV-Strahlung entstandene DNA-Schäden schnell und effizient beheben. Auffallend ist, dass sich Ähnliches kaum ein anderer Organismus auf der Erde von den Einzellern über Pflanzen und Pilzen bis zu den Beuteltieren leistet – bis auf eine merkwürdige Ausnahme: der Mensch und seine nähere Säugetierverwandtschaft. Ist deren Ahnenreihe etwa auch durch eine dauerdunkle Phase gegangen, in denen sie Licht und UV-Strahlung konsequent vermeiden konnte?

Foulkes und seine Kollegen hatten das Erbgut von Phreatichthys andruzzii untersucht, einem blinden Fisch aus Somalia, dessen Stammreihe seit Millionen von Jahren in lichtlosen Höhlengewässern lebt. Dabei wurde deutlich, dass verschiedene Mutationen einige sonst bei Fischen und anderen Wirbeltieren wichtige DNA-Reparaturmechanismen außer Funktion gesetzt haben. Betroffen sind dadurch Reparaturenzyme, die durch UV-Strahlung oder reaktive Sauerstoffradikale verursachte DNA-Schäden reparieren. Die Höhlenfische bauen beispielsweise keine Photolyasen mehr, die darauf spezialisiert sind, durch UV-Strahlung dimerisierte Thyminreste auf einem DNA-Strang wieder zu trennen.

Photolyasen oder andere photoaktivierte DNA-Reparaturenzyme kommen in Pflanzen, Pilzen, Einzellern und vielen Tierstämmen vor und sind auch Wirbeltieren sehr nützlich: UV-Schäden sind eine der häufigsten Bedrohungen für einen fehlerfrei arbeitenden Apparat der Zellen. Womöglich sind sie sogar so entscheidend, dass nur Tiere wie der Höhlenfisch P. andruzzii mit seiner typischen Lebensweise in ewiger Finsternis es sich ohne schwere Nachteile gegenüber der Konkurrenz im Evolutionsrennen erlauben können, die Enzyme zu verlieren.

Dies lädt die Wissenschaftler zur Spekulation darüber ein, warum Photolyasen ausgerechnet nur allen echten Säugetieren, und damit auch dem Menschen, fehlen. Sind vielleicht die Ahnen aller Plazentatiere einmal durch eine lange Phase der Evolution gegangen, in denen sie sich fast ausschließlich im Dunkeln entwickelt haben? Tatsächlich wird dieses Szenario seit einiger Zeit ernsthaft diskutiert: Demnach besetzten die Säugetiervorfahren gerade zu Zeiten der dominanten Dinosaurier die ökologische Nische der Nachtaktivität. Bis heute deuten immerhin einige Merkmale – etwa in der Anatomie des Sehsinns – darauf hin, dass Ursäuger einst Nachttiere waren. Womöglich ging dies über einige Jahrmillionen so weit, dass unsere Vorfahren zeitweise gar kein Sonnenlicht mehr abbekamen – in einem Evolutionsflaschenhals permanenter Nachtaktivität und damit einer Phase, in der dann der UV-Schutz durch Photolyasen wie beim Höhlenfisch ausfallen konnte, ohne dass es drastische Konsequenzen hatte. Auch die plazentalen Säugetiere können UV-bedingte DNA-Schäden übrigens – mit anderen Mechanismen – reparieren, dies allerdings nicht so schnell und effizient.

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