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News: Gesundheits-Barometer Schnabel

Zebrafinken-Weibchen wollen nicht nur ein Männchen mit schönem Gefieder, sie interessieren sich auch für die "inneren Werte" ihres zukünftigen Partners. Ein Blick auf den Schnabel genügt, und sie wissen: Das Männchen sieht nicht nur verdammt gut aus, es verfügt auch über eine gesunde Immunabwehr.
Zebrafinken
Könnten Vogel-Weibchen Zeitungsannoncen unter der Rubrik "Partnersuche" schalten, würden diese vermutlich wie folgt lauten: "Suche Männchen: Du solltest vor allem gesund, parasitenfrei und kräftig genug sein, um mir gegebenenfalls bei der Brutpflege zu helfen. Außerdem gibst Du hervorragende genetische Veranlagungen an unsere Kinder weiter, die sich positiv auf deren zukünftige Überlebens- und Fortpflanzungschancen auswirken." Fraglich ist natürlich, ob die Weibchen mit den ehrlichen Antworten der Männchen rechnen könnten.

Auf die Auskünfte männlicher Bewerber über ihren Marktwert brauchen sich Zebrafinken- und Amsel-Weibchen glücklicherweise nicht zu verlassen. Sie sehen ihren Männchen sozusagen an der Schnabelspitze an, wie es um ihre Immunabwehr bestellt ist.

Zu diesem Schluss kamen zwei Forscherteams, die der Frage, wie männliches Erscheinungsbild und tatsächliche biologische "Fitness" zusammenhängen, näher auf den Grund gehen wollten. Die Wissenschaftler beobachteten zunächst, dass die Vogel-Damen neben anderen Auswahlkriterien auch der Schnabelfarbe ihrer Männchen besondere Beachtung schenkten.

Und das hat gute Gründe. Denn, so fanden die Forscher heraus, wie kräftig die Schnäbel der Männchen rot, orange oder gelb gefärbt sind, ist von so genannten Carotinoiden abhängig, Pigmenten, die auch bei der Funktion des Immunsystems eine Rolle spielen. Carotinoide unterstützen die Immunabwehr und binden freie, für Zellen toxische Radikale, die bei bestimmten Immunantworten frei werden. Tiere sind nicht in der Lage, die Carotinoide selbst herstzustellen, sondern müssen diese durch die Nahrung aufnehmen.

Die Farbe der Schnäbel könnte demnach eine Art Gesundheits-Indikator für die Weibchen sein, denn nur ein gesundes Männchen kann es sich auch leisten, die wertvollen Pigmente als Schnabelfarbe verschwenderisch anzulegen.

Jonathan Blount von der University of Glasgow und seine Kollegen setzten zehn Zebrafinken-Brüder (Taeniopygia guttata) acht Wochen lang auf Carotinoid-Diät, um zu prüfen, ob es sich bei dem Auswahlkriterium der knalligen Schnäbel nicht nur um eine weibliche Vorliebe, sondern tatsächlich um ein Selektionsmerkmal für biologische Fitness handelt [1]. Während die eine Hälfte der Männchen normales Futter aber nur destilliertes Wasser erhielt, setzten die Wissenschaftler ihren fünf Brüdern Carotinoide-haltiges Trinkwasser vor.

Nach sechs Wochen unterschied sich die Schnabelfärbung der Finken deutlich und reichte von hellorange bis dunkelrot. Der Attraktivitäts-Test mit ihren weiblichen Artgenossen zeigte, dass die Weibchen länger neben rotschnäbligen Männchen verweilten als neben deren Kontroll-Brüdern. Mit einer Blutabnahme konnten die Forscher daraufhin nachweisen, dass die Intensität der Schnabelfärbung gemeinsam mit den gemessen Carotinoide-Werten im Blut anstieg. Doch verfügten die Vögel nun auch über ein stärkere Immunabwehr?

Dies testeten die Forscher, indem sie die Zellen des Immunsystems mit Injektionen stimulierten. Wie heftig die Immunabwehr der Vögel reagierte, konnten sie anhand der Schwellungen messen, die als eine Folge der Injektion durch die Zellen des Immunsystems und einer Ansammlung von weißen Blutkörperchen entstanden. Demnach führten die erhöhten Carotinoide-Werte nicht nur zu farbigeren Schnäbeln, sondern auch zu einer verstärkten zellulären Immunabwehr.

Diesen Zusammenhang bestätigten auch die Wissenschaftler um Bruno Faivre der Université de Burgogne, allerdings mit einem Ansatz aus anderer Richtung [2]. Sie strapazierten das Immunsystem männlicher Amseln (Turdus merula) und untersuchten, ob mit dem dadurch sinkenden Gehalt der Carotinoide im Blut auch deren Schnabel-Färbung abnimmt. Tatsächlich verblassten die Schnäbel der Männchen, deren Immunabwehr durch die Forscher aktiviert wurde, von orange zu gelb.

Auch wenn die Schnabelfärbung der Männchen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht das einzige Auswahlkriterium der Weibchen ist, könnten sie jedoch den aktuellen, individuellen Gesundheitszustand des Männchen anzeigen, so glauben die Wissenschaftler. "Die Farbveränderungen in den Schnäbeln spiegeln Veränderungen des Carotinoid-Gehalts kontinuierlich wieder. Diese Information kann beispielsweise die Farbe des Gefieders nicht liefern, da es ja nur ein- bis zweimal jährlich während der Mauser erneuert wird", so Faivre. Das Weibchen würde so nicht nur vermeiden, sich durch einen mit Parasiten infizierten Partner anzustecken, sondern auch "gute" Gene für seinen Nachwuchs erhalten. Auch hätten anderen Studien bereits gezeigt, dass Zebrafinken mit einer starken zellulären Immunantwort länger leben.

Die Schnabel-Farben-Selektion hätte sich demnach evolutionsbiologisch entwickelt. "Hatten die Männchen und Weibchen einmal damit angefangen, sich in gegenseitiger Anpassung nach dem durch Carotinode hervorgerufenen Signal zu orientieren, so wurde diese Anlage schließlich durch die natürliche Selektion bevorzugt", erklärt Faivre. Wie effizient sich ein Männchen seine Nahrung sucht, wie viel Energie es benötigt, um die Carotinoide aus ihr zu gewinnen und die Beschaffenheit seines Immunsystems könnten jedoch ebenfalls den Gehalt an Carotinoiden beeinflussen. Die Wissenschaftler wollen daher in Zukunft genauer untersuchen, welcher Zusammenhang zwischen Carotinoiden und männlicher Fitness bei Vögeln besteht.

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